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Koks und Karneval

Koks und Karneval

Titel: Koks und Karneval
Autoren: Thomas Ziegler
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wollen und früher oder später damit auffallen. Setzen Sie unsere Informanten und V-Leute darauf an. Ziehen Sie mit Heppekausen los und hören Sie sich in der Szene um. Verdammt, wozu erzähle ich Ihnen das alles? Sie haben in Herne doch angeblich Wunderdinge vollbracht. Dann werden Sie wohl in der Lage sein, einen Koffer mit drei Kilo Kokain zu finden, oder?«
    Böck sah auf die Uhr und machte eine ungeduldige Handbewegung.
    »Worauf warten Sie noch? Fangen Sie mit der Suche an. Und verkleiden Sie sich! Karneval ist eine besondere Zeit, die besondere Maßnahmen verlangt.«
    »Wie Sie meinen«, murmelte Kaminski resignierend. Er stand auf. »Und welche Verkleidung empfehlen Sie? Sozusagen als Experte?«
    Böck lächelte böse und wies mit dem Daumen auf Kaminskis Kopfverband. »Gehen Sie doch als Mumie! In Ihrem Fall wäre das eine Charaktermaske!«
    Kaminski verschluckte eine wütende Antwort und wandte sich zur Tür.
    »Ach, Kaminski!« rief ihm Böck nach.
    Er blieb stehen.
    »Ehe ich’s vergesse … Wenn ich heute abend auf der Prunksitzung den Polizeipräsidenten treffe, werde ich ihm sagen, daß Sie mir garantiert haben, Lorcaz und den Koffer bis Aschermittwoch aufzuspüren. Der Polizeipräsident hält große Stücke auf Sie. Also enttäuschen Sie ihn nicht.«
    Kaminski verließ grußlos das Büro und schmetterte die Tür hinter sich zu.
    Danke, Böck, dachte er verbittert. Bis Aschermittwoch. Sechs Tage. Und wenn ich es in diesen sechs Tagen nicht schaffe, kann ich mir gleich eine Fahrkarte nach Herne kaufen. Allmächtiger, womit habe ich das nur verdient?
    »Dat han Se nun davun, Schäff«, sagte Jupp Heppekausen. »Ich han ens doch jesaat, passe Se bloß op die jecken Wiever op!«

 
3
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    Oben auf dem Rathausturm streckte der Platzjabbek der Vernunft die Zunge heraus, die unten auf dem Altermarkt schon längst nichts mehr zu sagen hatte – der Straßenkarneval hatte begonnen. Der große Platz im Herzen der Stadt war ein Meer aus schunkelnden, singenden und trinkenden Jecken. Auch die Honoratioren von Köln feierten mit – der Oberbürgermeister tauschte Kölsch gegen Bützche; die Bürgermeisterin füllte das Tanzmariechen mit Schnaps ab, damit es sich nicht verkühlte, wenn ihr der Tanzoffizier mit kalten Fingern unter den kurzen Rock griff; und die Mitglieder des Stadtrates traten für ein Pressefoto geschlossen zur blauen Fraktion über.
    Währenddessen nahmen die neuen Herren von Köln, das karnevalistische Dreigestirn, die Huldigungen ihrer närrischen Untertanen entgegen. Seine Tollität Prinz Ottokar I. schwenkte huldvoll das Narrenzepter. Seine Deftigkeit Bauer Egon kippte beim Bützen wieder einmal von der Bühne, und Ihre Lieblichkeit Jungfrau Josefine zeigte jauchzend ihre Beine und ließ die johlenden Jecken vergessen, daß sie in Wirklichkeit Josef hieß und sich den Lebensunterhalt als Sargdiscounter verdiente.
    Selbst der Himmel war den Narren und Notablen gewogen; die Regenwolken rissen auf, die Sonne kam hervor und warf ihr klares, kaltes Februarlicht auf Clownsgesichter und Hexenmasken.
    Dann betraten die Bläck Fööss unter tosendem Beifall und gellenden »Kölle Alaaf!«-Rufen die Tribüne, stimmten die rheinische Nationalhymne an: Mer losse dr Dom in Kölle, und alle, alle sangen mit.
    Alle – außer Susi Infernale.
    Sie hing vier Stockwerke über den schunkelnden Massen am offenen Fenster ihrer Dachgeschoßwohnung, die Augen glasig, die Nase taub, und fragte sich ernsthaft, ob sie diesen Tag überleben würde.
    Ihre Chancen standen nicht gut.
    Nicht mit einem Koffer voller Kokain im Haus.
    Seit der Flucht aus dem Hauptbahnhof hatte sie gekokst, daß es für ein ganzes Leben reichte, aber ihre Kusine Nina war schon wieder dabei, den Schnee mit einem Suppenlöffel auf den Spiegel zu schaufeln, als wolle sie den Stoff mit dem Staubsauger schnupfen.
    Susi wollte um Erlösung beten – so etwas wie Lieber Gott, laß diese Nase an mir vorübergehen –, doch sie war so konfus, daß sie nicht einmal die ersten drei Buchstaben zusammenbrachte. Zu allem Überfluß sah sie in diesem Moment zwei Polizisten vor dem Haus, und von da an war an Beten überhaupt nicht mehr zu denken.
    Ihr brach der Angstschweiß aus.
    Panik schnürte ihr die Kehle zu.
    Der Koffer! Die Bullen wußten, daß sie den Kokskoffer hatten! Wahrscheinlich war die ganze Stadt von geheimen Rauschgiftfahndern unterwandert. Wahrscheinlich wimmelte es auf dem Altermarkt von Kripoleuten in Zivil, Undercover-Agenten und
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