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Koks und Karneval

Koks und Karneval

Titel: Koks und Karneval
Autoren: Thomas Ziegler
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sollte, bekommt er es mit meinem Besen zu tun. Au jau!«

 
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    Unter lauten Trommelschlägen und dem Jubel des närrischen Fußvolks zog das Reiterkorps Jan von Werth durch die Severinstorburg, um wie jedes Jahr zur Weiberfastnacht die ergreifende Geschichte von Jan und Griet nachzuspielen.
    Als armer Bauernknecht hatte Jan um die wunderschöne, aber hochnäsige Magd Griet gebuhlt und war von ihr schmählich zurückgewiesen worden. Halb verrückt vor Gram und Schmerz, war Jan daraufhin in den Dreißigjährigen Krieg gezogen, zum Heerführer aufgestiegen und bei der Eroberung der Festung Ehrenbreitstein zu Ruhm und Reichtum gekommen. Bei seiner triumphalen Rückkehr nach Köln hatte der gefeierte Feldherr und General seine Griet als Marktfrau »vör einem Appelkrom« wiedergetroffen. Diesmal war sie es, die Kaltherzige und Hochmütige, die einen Korb erhielt.
    Hoch auf einem prächtigen Schimmel, mit federbuschgekröntem Hut, wehendem Cape und blankgewienerten Stulpenstiefeln angetan, nahm Jan von Werth die Referenzen und Huldigungen der Ersten Kölner Hunnenhorde, der Ritter der Tafelrunde, der Dom-Kosaken und anderer erlauchter Karnevalsgesellschaften entgegen, um sich dann der reumütigen Griet zu nähern.
    »Griet, wer et hätt jedonn!« rief er kummervoll.
    »Jan, wer et hätt jewoß!« rief sie klagend zurück.
    Und manch rührseliger Jeck wurde von dieser Szene so ergriffen, daß er die eine oder andere Träne vergoß. Dann zogen General und Reiterkorps unter lautem Tschingderassabum zur Altstadt und zum Altermarkt weiter, und die Jecken konnten wieder singen und lachen.
    Aber Peter Ruska alias Petrus war nach Singen nicht zumute und nach Lachen schon gar nicht.
    Mit Mordlust in den Augen und einer geladenen .38er Smith & Wesson in der Tasche trabte er über den Chlodwigplatz, ohne das bunte Treiben rings um das Severinstor auch nur eines Blickes zu würdigen. Dann bog er in den Ubierring.
    Er war ein großer, knorriger Mann mit einer großen, knorrigen Nase und der knorrigen Angewohnheit, nur bewaffnet aus dem Haus zu gehen. Nase und Verstand waren vom jahrelangen Koksen zerfressen, und diverse Schicksalsschläge hatten ihn hart, brutal und nachtragend gemacht. Außerdem litt er seit Tagen unter Schweißausbrüchen und peinigendem Juckreiz, und so war es kein Wunder, daß er nicht in der besten Karnevalsstimmung war.
    Petrus brauchte dringend Kokain.
    Auch seine Kunden brauchten dringend Kokain.
    Aber seinen Lieferanten hatte man vor einigen Wochen verhaftet, und weit und breit war kein neuer Schneemann in Sicht – von Charly Hoballa abgesehen. In der Szene kursierten Gerüchte, daß Charly Hoballa eine größere Lieferung erwartete, doch Petrus hätte eher dem Drogenhandel entsagt, als seine Ware von seinem schärfsten Konkurrenten zu beziehen.
    Unglücklicherweise hatten seine Kunden bedeutend weniger Ehrgefühl, und der Gedanke, daß er seine Stammkundschaft an eine heimtückische, verkommene, paranoide Ratte wie Balla-Balla-Charly verlieren könnte, reichte völlig aus, seine ohnehin schlechte Stimmung dramatisch zu verschlechtern.
    Dabei hatte er geplant, Weiberfastnacht in der Südstadt zu feiern, singend und lachend und mit einem Beutel Koks in der Tasche. In den Südstadtkneipen wimmelte es von Weibern, die nur darauf warteten, daß jemand wie er vorbeikam und ihnen die Nase puderte.
    Mit dem schicken weißen Pulver in den schicken Taschen seines schicken weißen Anzugs war es kein Problem, eine schicke Tussi in sein schickes Apartment zu locken und in seinem schicken Bett eine schicke Nummer zu schieben.
    Aber ohne Koks war an Sex noch nicht einmal zu denken.
    Es gab nur eine Möglichkeit, den Tag sinnvoll zu verbringen – mit Schuldeneintreiben. Und Bernie Barnovic stand ganz oben auf seiner Liste der Leute, die mir Geld schulden und deshalb besser TOT wären.
    Mit finsterem Gesicht marschierte er am Café Litz vorbei, in dem der jugendliche Depp-Set der Domstadt die Hemden mit dem Krokodil und die Anzüge mit dem Boss-Etikett zu einem Gläschen Moët Chandon auszuführen pflegte. Petrus warf nur einen flüchtigen Blick hinein; Bernie war bestimmt nicht dort. Er lief gewöhnlich so abgerissen herum, daß er nicht einmal im Mülleimer einen Platz bekommen hätte.
    Ein paar Meter weiter schlug Petrus mißtönender Gesang entgegen.
    »… ja, ja, ein Pferd auf’m Flur …«
    Ein Mann mit Pappnase und feuerroter Perücke saß auf der Bordsteinkante, schwenkte eine halbvolle Flasche Schnaps
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