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Verführung auf Burg Kells (German Edition)

Verführung auf Burg Kells (German Edition)

Titel: Verführung auf Burg Kells (German Edition)
Autoren: Juliet Landon
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1. KAPITEL
    Galloway, Schottland 1319
    Der weiche Waldboden dämpfte das Klappern der Hufschläge, als sich die Reiterschar bei Sonnenaufgang der Burg näherte, die Sir Alex Somers und seine Soldaten am Abend vom anderen Seeufer her entdeckt hatten. Castle Kells’ trutzige Mauern auf einem hohen Felsen, rosig schimmernd im Abendrot, hatten sich im glatten Wasser des Sees gespiegelt. Durch ihre vortreffliche Lage war die Burg an zwei Seiten durch senkrechte Felswände unbezwingbar, an der Rückseite wurde die Anlage von hohen bewaldeten Bergen gegen Wind und Wetter geschützt. Die schmale Talsenke unterhalb der Festung säumten saftige Weiden, wo dunkle Ponys grasten. Aus den strohgedeckten, dicht gedrängten Holzhäusern des Dorfes stieg blauer Rauch in den Morgenhimmel. Bereits in Rufweite zur Siedlung, aber gut versteckt hinter hohen Fichten und dichtem Unterholz, hatten die Männer Posten an einem Wildbach bezogen, der über Gesteinsbrocken plätscherte und sich in einiger Entfernung rauschend in ein ausgewaschenes Felsbecken ergoss.
    „Hier warten wir“, sagte Alex zu seinem Gefährten, „und verstecken uns unter den Bäumen. Er wird vermutlich bald zurück sein.“ Durch seinen weichen Dialekt des schottischen Tieflands klangen seine Worte wie eine harmlose Feststellung, nicht wie eine Drohung.
    Sein Gefährte, Hugh of Leyland, nicht ganz so hoch gewachsen und breitschultrig, aber geschmeidig wie eine Wildkatze, wischte sich Tannennadeln von dem verwaschenen braunen Wams und hakte den ledernen Wasserbeutel vom Gürtel. Er war mit dem Vorschlag einverstanden, wollte jedoch vor dem Einsatz noch ein paar Einzelheiten klären.
    Er nahm einen Schluck Wasser und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Er hat einen Sohn, sagst du?“
    „Hatte“, antwortete Alex knapp. „Er kam bei einem Überfall vor ein paar Jahren ums Leben. Aber er hat einen kleinen Enkelsohn.“
    „Und dieser Enkel lebt hier bei Sir Joseph?“
    „Soviel ich weiß, ja.“ Alex’ Blick wanderte zum Burgtor und suchte den einsamen Weg davor ab, der sich im dichten Wald verlor.
    Die Freunde waren ein eindrucksvolles Paar, zwei bärenstarke Männer, die einander sehr gut kannten, Kampfgefährten, die sich gelegentlich in freundschaftlichen Balgereien derbe Knüffe versetzten, den anderen freilich auch bis zum letzten Blutstropfen verteidigt hätten – nicht anders als ihre Gefolgsleute, die stumm hinter ihnen warteten. Sir Alex Somers, mit einunddreißig Jahren im besten Mannesalter, war von kraftvoller Statur, breitschultrig, mit mächtigem Oberkörper und markanten Gesichtszügen, ein Ritter, der mancher schönen Maid in ihren heimlichen Träumen sehnsüchtige Seufzer entlockte. Dichte, haselnussbraune Locken fielen ihm in die hohe, kühne Stirn und kringelten sich an seinem sehnigen Nacken. Seine Augen leuchteten blau wie der Sommerhimmel, wenn auch weniger unschuldig.
    „Das könnte uns nützlich sein“, meinte Hugh sinnend. „Wir nehmen den Kleinen als Köder oder um Lösegeld zu fordern. Jeder Großvater ist in seinen krähenden Enkel verschossen. Hat der Junge eine Mutter?“
    „Gewöhnlich haben Kinder eine Mutter, Hugh.“
    „Ich finde es heraus. Überlasse das getrost mir.“
    Alex konnte sich für die Überlegungen des Freundes nicht recht erwärmen, da er, nach allem, was er über den Burgherrn in Erfahrung gebracht hatte, befürchtete, Sir Joseph Moffat of Castle Kells in Galloway gehöre zu der Sorte Männer, die ohne Gewissensbisse ihr eigen Fleisch und Blut opferten, um ihre Ziele durchzusetzen. Er war der Friedensrichter in dieser Region, Besitzer ausgedehnter Ländereien, Pferdezüchter und ein Plünderer, Gauner und Dieb, wobei diese Liste nur seine harmloseren Charakterzüge aufzählte. Jedenfalls war Sir Joseph kein Mann, den sein Gewissen schlecht schlafen ließ. „Ich fürchte, darauf sollten wir uns nicht zu sehr verlassen“, entgegnete Alex skeptisch. „Ein Kerl wie Moffat lässt sich nicht so schnell einschüchtern, er ist ein alter Fuchs und mit allen Wassern gewaschen.“
    Hugh stand gegen einen Baumstamm gelehnt und beobachtete den Freund, der am Ufer des Wildbachs entlangschlenderte. Ein Mann, der sich in der Wildnis undurchdringlicher Wälder ebenso zu Hause fühlte wie an den vornehmen Fürstenhöfen Europas. Hugh war seit neun Jahren bei ihm, ebenso lange wie jeder andere der hundert Mann starken Kampftruppe. Er war zwei Jahre jünger als Alex, mit hellbraunem Lockenkopf, athletisch gebaut,
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