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Koks und Karneval

Koks und Karneval

Titel: Koks und Karneval
Autoren: Thomas Ziegler
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als Sie überhaupt ahnen! Ich wage gar nicht daran zu denken, was der Polizeipräsident zu dem Vorfall sagen wird, von den Zeitungen ganz zu schweigen. Wahrscheinlich wird man unsere Köpfe fordern. Wahrscheinlich wird man sie auch bekommen.«
    Er trommelte mit den Fingern auf der Schreibtischplatte. Es klang wie Chopins Trauermarsch in h-Moll.
    »Ich war von Anfang an gegen diese zweifelhafte Operation«, behauptete Böck. »Ich habe von Anfang an gesagt, verhaftet Lorcaz schon am Bahnhof. Hoballa hätten wir auch anders festnageln können, auch ohne die Übergabe des Kokains. Aber Sie wollten ja nicht auf mich hören, Kaminski!«
    Kaminski sah ihn verblüfft an. In Wirklichkeit hatte gerade Böck darauf bestanden, mit Lorcaz’ Verhaftung bis zur Übergabe des Kokskoffers an Charly Hoballa zu warten. Offensichtlich wollte der Hauptkommissar diese Panne ausnutzen, um seinen Posten als Abteilungsleiter zu retten, den er seit Kaminskis Versetzung ins Kölner Rauschgiftdezernat bedroht wähnte.
    Und das mit Recht.
    Als Präsident des Polizeikarnevalvereins K.G. Mord un Dutschlaach und als Büttenredner Dä jecke Spetzbov genoß Böck ohne Zweifel die Sympathien der Öffentlichkeit – aber von Pappnasen und Kamellen ließen sich hartgesottene Gangster wie Jorge Gabriel Lorcaz und Charly Hoballa nicht beeindrucken. Man mußte ihnen mit eiserner Faust den Arsch aufreißen, und jemand wie Adolf Kaminski, der in Herne die örtliche Drogenszene quasi im Alleingang trockengelegt hatte, war dafür besser geeignet als ein Mann, der vom elften elften bis Aschermittwoch mehr Jeck als Rauschgiftfahnder war.
    Durch das offene Fenster drang scheppernde Karnevalsmusik.
    Tätä-tätä-tätä!
    »Ha!« rief Böck nach einem Blick auf seine Armbanduhr. »Elf Uhr elf. Großartig, einfach großartig. Eigentlich sollte ich jetzt mit dem Oberbürgermeister, dem Präsidenten des Festkomitees und dem Dreigestirn am Altermarkt auf der Ehrentribüne stehen und den Beginn des Straßenkarnevals feiern. Eigentlich sollte ich jetzt schunkeln und lachen und glücklich sein. Statt dessen muß ich mir den Kopf darüber zerbrechen, wie ich dem Polizeipräsidenten dieses Massaker im Hauptbahnhof erklären soll!«
    Kaminski strich sich vorsichtig über den schmerzenden Kopf. »Massaker ist doch wohl ein wenig übertrieben«, sagte er verärgert. »Es war eine Panne, die jederzeit passieren …«
    »Eine Panne?« Böck starrte ihn an. »Eine wilde Schießerei mitten in der Bahnhofshalle nennen Sie eine Panne? Sechzehn Verletzte, davon drei Polizisten, fünf ungerechtfertigte Festnahmen, zwei unaufgeklärte Taschendiebstähle, ein entkommener gemeingefährlicher kolumbianischer Kokainhändler, ein spurlos verschwundener Koffer mit drei Kilo Kokain, der gute Ruf des Rauschgiftdezernats auf Jahre hinaus ruiniert – und für Sie ist das nichts weiter als eine Panne?«
    In Kaminski kochte die Wut hoch. »Verdammt, Sie tun so, als wäre die Schießerei im Bahnhof meine Schuld! Niemand konnte ahnen, daß Lorcaz zur Waffe greift. Und hätten sich diese übergeschnappten Mäuse nicht eingemischt …«
    »Hätte, hätte, hätte!« äffte Böck abfällig nach. »Hätte Gott dem Menschen eine Pappnase gegeben, hätten wir das ganze Jahr Karneval. Außerdem waren das keine übergeschnappten Mäuse, sondern die Damen des Frauensparvereins Kamelle, die nur das getan haben, was alle anständigen Kölnerinnen an Weiberfastnacht tun – Schlipse abschneiden und Bützche verteilen. So was ist völlig normal, Kaminski. Normal! Wissen Sie, was das ist?«
    »Ich verbitte mir diesen Ton!« brüllte Kaminski.
    Böck kniff die Lippen zusammen.
    »In Ordnung«, sagte er schließlich gefährlich leise. »Lassen Sie uns sachlich bleiben. Lassen Sie uns sachlich darüber reden, warum Sie nicht nur den ganzen Sparverein, sondern auch den Schwager des Festkomiteepräsidenten verhaftet haben.«
    »Woher sollte ich denn wissen, daß diese singende Pappnase …«
    »Die Pappnase ist keine Pappnase!« Böck schlug mit der Faust auf den Tisch. »Die Pappnase ist ein angesehener Bürger dieser Stadt! Ein harmloser Jeck, der nur singen und lachen und sich amüsieren wollte. Und Sie haben ihn verhaftet! Wollen Sie die ganze Stadt verhaften, nur weil sie singt und lacht?« Erschöpft sank er in seinen Sessel zurück. »Aber lassen wir das. Bleiben wir weiter sachlich. In diesem Moment rennt ein schwerbewaffneter kolumbianischer Killer durch Köln. Die Polizei ist hinter ihm her, sein
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