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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dörfchen an der Elbe und prassen dort, bis keiner von uns mehr Piep sagen kann. Einverstanden, Brüderchen Leo?«
    Es wurde ein harmonischer Abend. Erst gegen Mitternacht lieferte Eugen seinen Bruder wieder in der Klinik ab, so richtig angenehm betrunken, was dadurch zum Ausdruck kam, daß Leo zu der Nachtschwester sagte: »Glotz mich nicht so kuhäugig an! Wenn du mir was sagen willst, komm mit ins Bett …«
    Das Schwesterchen lachte, sagte brav: »Gute Nacht, Herr Kommerzienrat!« und blickte ihm kopfschüttelnd hinterher.
    Als Kochlowsky am nächsten Morgen erwachte, befand sich sein Bruder Eugen schon auf dem Weg nach Radebeul, um seinen großen Kollegen Karl May zu besuchen.
    Wie bereits erwähnt, Kochlowsky blieb drei Monate in der Klinik Dr. Kirchhoff auf dem Weißen Hirsch bei Dresden. Baron von Finck bezahlte alles, und Hammerschlag überwies das Geld mit dem Absender: Privatsekretariat Kommerzienrat Kochlowsky. Die Summe war für einen normalen Bürger schwindelerregend, vor allem das, was man als ›Sonderleistungen‹ aufführte. Allein die Fahrt zum Röntgen nach Berlin hätte zwei Monatsgehälter von Hammerschlag verschlungen.
    »Ich werde das alles beim Herrn Baron abarbeiten«, sagte Sophie entschlossen. »Und wenn es noch ein Jahr dauert …«
    So lange wurde es nicht. Am Ende des dritten Monats war Kochlowskys Zeit abgelaufen, was allerdings nicht hieß, daß Dr. Kirchhoff den reichen Kommerzienrat als geheilt oder wenigstens gebessert entließ; es war vielmehr so, daß Kochlowsky an einem sonnigen Herbsttag seinen Paletot überzog und im Park spazierenging. Er suchte sich wieder einsame Wege – das wußte man bereits –, gelangte zu einer Gartenpforte in der Mauer, die durch hohe Büsche verdeckt war, öffnete das Schloß nach Ganovenart mit einem krummen Nagel und verließ die Klinik.
    Zu Fuß, mit weitausgreifenden Schritten, ging er hinunter zur Elbe, überquerte sie auf der Brücke, fragte einen Polizisten nach einem Pfandhaus, betrat den Laden in einer Quergasse zur Prager Straße und verpfändete seinen Paletot. Mit dem Geld kaufte er sich eine Bahnfahrkarte nach Herzogswalde und saß bereits im Zug, als auf dem Weißen Hirsch eine große Suchaktion begann.
    Dort stand man vor einem Rätsel. Durch den Haupteingang war der Kommerzienrat nicht entwichen – dort saß immer ein Wächter –, durch die kleine Gartenpforte auch nicht – sie war fest verschlossen –, blieb also nur noch übrig, daß sich der Patient innerhalb der Klinik versteckt hielt. So diskret wie möglich begann man jeden Winkel zu durchsuchen. Es war erstaunlich, wie viele mögliche Verstecke so ein großes Haus bot.
    Am späten Abend stieg Kochlowsky in Herzogswalde aus dem Zug. Der Bahnhofsvorsteher riß den Mund auf und begann vor Aufregung zu schwitzen.
    »Herr … Herr Kochlowsky …«, stotterte er. »Sie sind wieder hier?«
    »Nein! Ich bin ein sichtbarer Furz!«
    »Willkommen! Sie sind's wirklich!« rief der Bahnbeamte fast jubelnd. »So unverhofft! Ich lasse gleich eine Droschke anspannen!«
    »Ich will ein Pferd!« sagte Kochlowsky befehlend.
    »Wie bitte?«
    »Ein Pferd, Sie Hosenwetzer! Ich will nach Hause reiten!«
    »So, wie Sie sind? In diesem feinen Anzug?«
    »Ich kann mir auch die Hose ausziehen und mit dem blanken Arsch reiten! – Ein Pferd, verdammt noch mal!«
    Zwanzig Minuten später ritt Kochlowsky allein durch die Nacht zu seinem Haus. Der Gaul unter ihm keuchte und röchelte … er wurde sonst nie geritten, ging nur in der Kutschengabel und war nun tief beleidigt, daß jemand auf seinem Rücken saß. Bis zu einem leichten Trab ließ er sich befehlen, mehr nicht. Wenn man an Reckhardt dachte, war dieser Ritt eine wahre Schande.
    Sein Haus lag im Dunkel, voll tiefer Ruhe, in dem großen Garten, als Kochlowsky vom Pferd stieg. Er führte es um das Haus in den Stall, wo einmal Reckhardt gestanden hatte, schirrte es ab und stellte es in die Box. Mit Wehmut sah sich Kochlowsky um. Alles war noch so, als käme Reckhardt jetzt gleich in den Stall zurück. Ja, es roch sogar noch nach ihm. Nun stand diese Mähre da, mit hängendem Kopf und zitternden Flanken. Es war wie eine Entweihung.
    Als Kochlowsky wieder hinaus in den Garten trat, hörte er im Haus Jacky, den Spitz, bellen und heulen. Ein Licht ging an, eine Petroleumlampe, und wanderte an den Fenstern entlang. Es war sehr niedrig – es mußte Wanda sein, die die Lampe trug.
    Und dann war da plötzlich Sophies Stimme, diese geliebte, helle Stimme,
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