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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hier alles Verrückte?« fragte Wanda. Sie saßen auf einer weißlackierten Bank vor einer Taxushecke und blickten hinüber zu der Hauptpromenade des Parks. Die stille Jenny hockte daneben.
    »Fast alle. – Wer sagt das denn?«
    »Onkel Willibald.«
    »Der muß es wissen.«
    »Und warum bist du hier? Bist du auch verrückt, Papa?«
    »Das weiß man selbst nie. – Jeder Mensch hat eine Macke.«
    »Ich auch, Papa?«
    »Bestimmt.«
    »Und Mama?«
    »Auch … sonst hätte sie mich nicht geheiratet.«
    »Wer ist hier der Verrückteste, Papa?«
    »Der Chefarzt. Aber sag das keinem weiter …«
    Beim Abschied aber sagte Wanda zu Dr. Kirchhoff: »Sie haben wirklich eine große Macke!« Und Dr. Kirchhoff sann später darüber nach, wie ein so kleines Kind so etwas sagen konnte. Auch die Erziehung von Kommerzienratskindern schien nicht vollkommen zu sein.
    Am Ende der dritten Woche erschien Eugen Kochlowsky auf dem Weißen Hirsch. Er kam unangemeldet, stand plötzlich im Zimmer und rief: »Mein kleines Brüderchen! Wie geht es dir denn? Na, na, was man so alles von dir hört …«
    »Schwester!« brüllte Kochlowsky sofort und lief zur Tür. »Hinaus mit diesem Menschen! Oder gehört der zur Schocktherapie?«
    Eugen, nun fast so kugelrund wie Dr. Kirchhoff, aber größer, was ihm wenigstens ein wenig Proportion verlieh, setzte sich ächzend in einen Sessel und stieß seinem Bruder den Stock gegen den Bauch.
    »Nichts hat man nach Pleß berichtet. Aber auch gar nichts! Erst als ich in Herzogswalde an deine Tür klopfte, gesteht mir Sophie alles. Ich bin um meine Achse gewirbelt und zur dir geeilt. Kann ich dir helfen?«
    »Ja, indem du sofort verschwindest.« Kochlowsky sah Eugen lauernd an. »Bist du auch Kommerzienrat?«
    »Nein, Chefdramaturg des Breslauer Theaters. Literaturwissenschaftler. Hammerschlag und ich haben uns darauf geeinigt. Leo, wenn du Sorgen hast … finanzielle – ich verdiene als Schriftsteller jetzt sehr gut, meine Bücher verkaufen sich wie warme Semmeln, ich habe es geschafft …«
    »Noch reichen meine Ersparnisse. Ein paar Wochen noch, höchstens, dann arbeite ich wieder. Sieh dir meine Hände an … sie zittern kaum noch.« Er streckte die Arme vor, das Flattern in den Händen war zwar noch vorhanden, aber nicht mehr wie ein Schüttelfrost. Eugen nickte brav. »Was treibt dich von Pleß weg?«
    »Ich bin auf dem Weg nach Radebeul.«
    »Was willst du denn da?«
    »Meinen großen Kollegen Karl May besuchen. Er hat sich in Radebeul eine große Villa gebaut. ›Villa Shatterhand‹ nennt er sie. Ich will ihm die Hand drücken.«
    »Karl May? Nie gehört. Er schreibt Romane wie du?«
    »Wie solltest du ihn kennen, wenn du nicht mal die Romane deines Bruders kennst!«
    »Das wäre eine wahrhaftige Strafe!«
    »Die Welt besteht nicht nur aus Ziegelbrennern«, erwiderte Eugen sauer. »Es wird einmal die Zeit kommen, wo jeder Deutsche ein Karl-May-Buch gelesen hat.«
    »Und einen Eugen Kochlowsky!«
    »Das wäre zu schön!«
    »Die Welt wird verblöden.« Kochlowsky setzte sich seinem Bruder gegenüber. »Und was erzählt man draußen über mich?«
    »Nichts.«
    »Lüge! Natürlich redet man! Sie haben mich abgeschrieben, nicht wahr? Für sie bin ich der Invalide! Die Tür ist zugeschlagen, und dahinter sitze ich … wie hier, eine Tür ohne Klinke. Halten mich denn alle für schwachsinnig? Man behandelt mich hier wie ein seltenes Tier. Ich glaube, wenn ich gegen die Wände schisse, würden sie noch Beifall klatschen …«
    »Da der Herr Kommerzienrat die Renovierung bezahlen würde, bestimmt.«
    »Eugen«, Kochlowsky beugte sich weit vor, »sei einmal ein guter, lieber Bruder: Sag mir die Wahrheit. Bin ich verrückt?«
    »Nein.«
    »Was bin ich dann?«
    »Ein Scheusal!«
    »Das beruhigt mich.« Kochlowsky lehnte sich wieder zurück. »Reckhardt hat mich ganz schön durchgeschüttelt, aber von Tag zu Tag fühle ich mich wohler. Auch die Hände zittern nicht mehr so. Ich könnte Bäume ausreißen!«
    »Übe erst mal am Gras …«
    »Wenn ich dich Fettsack sehe, komme ich mir wie ein Athlet vor. Wie heißt dein neues Buch?«
    »Ein Blick aus treuen Augen …«
    »Ach du Scheiße! So etwas liest man?«
    »Man frißt es.«
    »Wenn ich Karl May wäre, würde ich dich an der Tür meiner Villa erschießen. Das würde ihn wirklich unsterblich machen. Wann reist du weiter?«
    »Morgen früh. Heute abend gehen wir erst einmal essen. Ich habe vom Chefarzt Urlaub für dich bekommen. Wir fahren zum Italienischen
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