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Kleiner Hund und große Liebe

Kleiner Hund und große Liebe

Titel: Kleiner Hund und große Liebe
Autoren: Berte Bratt
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Treppe hoch, pfefferte die Schultasche irgendwohin, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand wieder nach unten. Hinter mir hörte ich Mamas Stimme: „Was hast du, Kind, wo läufst du hin?“
    Und ich antwortete vom untersten Treppenabsatz: „Schnell zu Tante Elsbeth! Ich habe die Ferienbilder, und sie soll sie sehen, bevor sie ihr Mittagsschläfchen hält!“
    Ich hatte eine ganze Menge Fotos gemacht - das Haus von außen und innen, die verschiedenen Zimmer, Tante Elsbeth in ihrer gemütlichen Fernsehecke, Frau Janssen in der Küche, und uns alle drei mit Anton auf der Terrasse, mit Selbstauslöser aufgenommen. Außerdem hatten Dorte und ich uns gegenseitig auf dem Pferderücken verewigt. „Es geht jetzt nicht Elaine“, sagte Frau Janssen. „Du mußt schon bis nach der Mittagsruhe warten. Frau von Krohn hat Besuch von ihrem Notar und will nicht gestört werden.“ Na gut - Notar, das klang sehr feierlich und geschäftlich, das mußte man respektieren! Dann zeigte ich Frau Janssen die Bilder und schrieb mir auf, welche ich für sie nachbestellen sollte.
    „Du machst Fortschritte, Elaine“, sagte Papa, als ich ihm die Fotos zeigte. „Das Licht fällt richtig, und die Hauptmotive sind gut plaziert. Man sieht, daß du als Tochter eines Professionellen in eine gute Schule gegangen bist!“
    „Ja“, gab ich zu. „Es sind zwei Dinge, die du mir beigebracht hast, Paps. Nämlich...“
    „... Fotografieren und Tierliebe“, unterbrach mein Bruderherz. „Aber ich kann auch fotografieren, und ich weiß, wo die Batterie im Auto ist, und ich kenne die Gänge, und ich kann ganz allein die Weichen von meiner Eisenbahn stellen, und.“
    „Und was habt ihr von Mama gelernt?“ fragte Papa mit einem kleinen Lächeln.
    Marcus dachte angestrengt nach. Dann erhellte sich sein Gesicht. „Von Mama haben wir gelernt, lieb zu sein!“
    „Weißt du“, sagte Papa, und seine Stimme hatte einen warmen, weichen Klang: „Genau das habe ich auch von Mama gelernt!“
    Erst am späten Nachmittag konnte ich zu Tante Elsbeth gehen. Sie war so lieb und nett wie immer, guckte sich die Bilder interessiert an, aber sie machte den Eindruck, als hätte sie andere
    Gedanken im Kopf. Als ich die Bilder der Reihenfolge nach zurück ins Kuvert legte, blickte ich einen Augenblick auf. Tante Elsbeths Blick ruhte auf mir, und ihre Augen waren voller Güte. Und die ganze Zeit sah sie aus, als dächte sie an etwas ganz Bestimmtes.
    Ich habe diesen Blick nie vergessen. Später habe ich verstanden, was und woran sie in diesem Augenblick dachte.
    Ich blieb nicht lange, denn Tante Elsbeth sah müde aus. Als ich nach oben gehen wollte, kam Frau Janssen mit einem Teller Knochen und Fleischresten für Barry.
    „Vielleicht darf er keine Knochen mehr fressen, aber er kann wohl das Fleisch abknabbern“, meinte sie.
    „Das tut er auch. Aber es stimmt schon, wir dürfen ihm keine großen Knochen mehr geben“, erklärte ich. „Dann fängt er an zu brechen.“
    „Ja, ja, der gute Barry ist alt geworden“, nickte Frau Janssen.
    Ja, Barry war alt. Sehr alt. Ich hatte in Papas Tierlexikon nachgelesen, und da stand, daß ein Hund in ganz seltenen Fällen zwanzig Jahre alt werden könnte. Meistens wurden Hunde nicht mehr als fünfzehn Jahre alt.
    Barry war jetzt über sechzehn.
    Ich wußte ja, daß der Tag kommen würde, an dem Barry sterben mußte. Einmal hatte ich mit Papa darüber gesprochen. Barry lag in seiner Ecke im Wohnzimmer, ich hatte ihn gestreichelt und ein bißchen mit ihm geplaudert. Dann hatte ich gesagt, daß der Gedanke so schrecklich war, daß wir ihn bald verlieren würden.
    Als Papa antwortete, sprach er plötzlich norwegisch. Sonst sprach er meistens deutsch. „Darüber darfst du nie sprechen, wenn der Hund dabei ist“ sagte Paps, und vermied es, den Namen zu gebrauchen. „Hunde haben einen unwahrscheinlich feinen Instinkt, sie verstehen aus dem Tonfall viel mehr, als man glauben sollte.“
    Als Papa und ich am folgenden Tag allein waren, nahm er das Thema wieder auf. „Siehst du, Lillepus“, sagte er - und ich wußte, wenn er mich Lillepus nannte, dann hatte er etwas ganz Ernstes auf dem Herzen. „Barry soll leben, solange er noch gesund ist. Alter ist keine Krankheit, und ein alter Hund kann auch ein glücklicher Hund sein. Aber wenn er krank werden sollte, wenn er nicht mehr laufen kann, wenn er womöglich erblindet oder... also, wenn das Leben ihm eine Qual wird, dann ist der Augenblick gekommen, und dann, Lillepus, müssen wir
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