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Kleine Suenden zum Dessert

Kleine Suenden zum Dessert

Titel: Kleine Suenden zum Dessert
Autoren: Clare Dowling
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gefunden habe.« Wie sie das von ihrem Gehalt als Kinderkrankenschwester bewerkstelligen würde, erläuterte er nicht. Ein verträumter Ausdruck lag auf seinem roten Mondgesicht. »Sie ist einfach phantastisch, wissen Sie.«
    Nun, jedenfalls war sie es für Frank, und das allein zählte, dachte Grace.

2
    Julia Carr ging in die Küche, um sich Bohnen auf Toast zu machen. Das Gewehr lehnte sie neben sich an die Arbeitsplatte. Sie hatte zwar überhaupt keinen Hunger, aber sie musste trotzdem etwas in den Magen kriegen, weil sie sonst Gefahr liefe, sich zu übergeben. Es hatte sie drei Monate und viele Schwindeleien bei Dr. Nolan gekostet, sechsunddreißig verschreibungspflichtige Schlaftabletten zusammenzubekommen, und die würde sie jetzt nicht verschwenden.
    Die Bohnenbüchse hatte einen Ringpull, an dem man ziehen musste, um sie zu öffnen. Sonst hatte Julia keinerlei Probleme damit, doch heute dauerte es eine Weile, bis sie endlich den Finger durchgesteckt hatte. In ihrer Ungeduld zog sie zu heftig, und der Ringpull brach mit einem Knacken ab. »Mist.«
    Das war ihr noch nie passiert. Sei‘s drum. Eine schnelle Inspektion der Schränke ergab, dass keine weitere Bohnenbüchse da war. Es war überhaupt kaum etwas da. Nun ja es war ihr sinnlos erschienen, Lebensmittel zu horten, die dann doch nur weggeworfen würden. Außerdem käme die nächste Rentenzahlung erst am Dienstag. Und so hatte sie für ihre letzte Mahlzeit auf diesem Planeten die Wahl zwischen einer Dose Pflaumen und einer Büchse Kichererbsen, und bei beiden war das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten. Sie entschied sich für die Kichererbsen (inzwischen wurde sie tatsächlich hungrig), als ihr plötzlich einfiel, dass man sie nach ihrem Tod ja obduzieren würde. Das wusste sie aus ihren Kriminalromanen. Was würden die denken, wenn sie in ihrem Magen eine Mischung aus abgelaufenen Kichererbsen und Schlaftabletten entdeckten? Das gäbe sicherlich eine ganz schöne Verwirrung bezüglich ihrer Todesursache. Vielleicht würden sie in ihrer Not alle möglichen teuren Untersuchungen vornehmen. Nein - sie machte allen schon genügend Ärger. Sie würde auf das Essen verzichten.
    Aber nachdem sie sich dazu entschlossen hatte, konnte sie nicht mehr aufhören, an Essen zu denken. Das Bild eines frischen, knusprigen Weißbrots und eines saftigen Käsestücks erschien vor ihrem geistigen Auge. Das war unter den gegebenen Umständen in höchstem Maße unpassend, und sie beschloss schuldbewusst, die Küche zu verlassen. Doch zuvor überzeugte sie sich, dass die Fenster geschlossen und der Wasserhahn fest zugedreht waren. Den Herd hatte sie vor einer Stunde geputzt, und er glänzte. Eigentlich hatte sie sich auch noch den Fußboden vornehmen wollen, endlich die eingetrocknete Milchpfütze entfernen, die bereits zu riechen begann, aber es waren keine Wischtücher mehr da, und ein Besuch im Supermarkt hätte ihr Vorhaben um Stunden verzögert. Also musste sie entscheiden, was ihr wichtiger war, und der Küchenboden hatte das Nachsehen.
    Wenigstens war das Bad sauber. Michael und Gillian würden mit Sicherheit oben herumstöbern, wahrscheinlich mit gerümpften Nasen. Julia hatte als kleine Überraschung für die beiden ein paar Ausgaben des Hustlers auf ihren Nachttisch gelegt, die von einem ihrer Pensionsgäste zurückgelassen worden waren.
    Der Plastikbehälter mit den roten und gelben Pillen stand auf dem Couchtisch und dazu ein Krug mit Eiswasser und ein Glas. Und daneben lag ein Exemplar ihres letzten Willens, um den Hinterbliebenen die Sucherei zu ersparen. Das Arrangement sah nicht ansprechend aus, eher gedanken-und gefühllos, als sei hier der Gesundheitsdienst am Werk gewesen.
    Sollte sie noch eine Blumenvase dazustellen? Oder zumindest ein paar Häkeldeckchen hinlegen, um die Kaffeeflecken zu verdecken? Sie wusste nicht, wie diese Dinge normalerweise gehandhabt wurden - abgesehen davon, dass Leute manchmal ein Musikstück spielten, das ihnen viel bedeutete. Sie hatte kein solches Musikstück, außer vielleicht den Song, den das Transistorradio spielte, als sie und JJ mit einem Picknickkorb auf den See hinausgefahren waren, um ihren vierzigsten Hochzeitstag zu feiern, und ihr Mann sie zu den Klängen von »Boogie Wonderland« küsste, was ihrer Meinung nach jedoch nicht recht angebracht war. Zum letzten Mal setzte sie sich in JJs großen, alten, roten Sessel. Die Situation erschien ihr völlig unwirklich, und sie rechnete halb damit, dass jemand zur Tür
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