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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
Autoren: Sue Grafton
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Blütenkelch. Ich starrte ihn wie gebannt an, als Messinger mich an den Haaren packte und mein Gesicht hochriss, bis es höchstens zwei Zentimeter von seinem entfernt war. Er stieß mir den Pistolenlauf unters Kinn und drückte so fest, dass es wehtat. Ich wollte protestieren, wagte es jedoch nicht.
    »Wo ist Eric?«, flüsterte er.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Du wirst mir helfen, ihn zurückzuholen.«
    Furcht hatte sich wie ein Splitter durch meinen Brustkorb gebohrt. Mein ganzer Adrenalinvorrat drängte in mein Gehirn und vertrieb jeden Gedanken. Ich hatte eine flüchtige Vision von Dietz und Rochelle Messingen Offenbar war es ihnen gelungen, das Kind von seinem Vater wegzuholen. Ich roch das Chlor aus dem Swimming-Pool, vermischt mit Mes-singers Atem. Wahrscheinlich hatte er seine Waffe zum Pool nicht mitnehmen können, ohne unliebsame Aufmerksamkeit zu erregen. Ich stellte ihn mir im Wasser vor, und Eric stand noch am Rand, bereit hineinzuspringen. Als seine Mutter aufgetaucht war, hatte er sich bestimmt mit einem Freudenschrei auf sie gestürzt. Und jetzt waren sie wahrscheinlich längst unterwegs zum Flugplatz. Die Maschine war für neun Uhr gechartert worden, damit sie genug Zeit hatten, sich des Kindes zu bemächtigen. Ich verdrängte die Gedanken. Zwang völlige Leere in mein Gehirn.
    Messinger schlug mir so hart ins Gesicht, dass mir der Kopf schwirrte. Ich war tot. Diesmal kam ich nicht lebend davon. Er stieß mich zur Hintertür, beförderte mit einem Fußtritt einen Stuhl aus dem Weg. Ich entdeckte den alten Ernie, der schlurfend auf die Küche zukam. Er sah verblüfft und verwirrt aus, besonders als er Patrick mit dem blutigen Angebinde auf der Brust auf dem Boden liegen sah. Mark Messinger drehte sich um und zielte auf den Alten.
    »O nein, tun Sie’s nicht!«, gurgelte ich. Meine Stimme klang fremd, hoch und heiser. Mit fest zusammengekniffenen Augen wartete ich auf das Peng. Dann warf ich einen Blick zurück. Der alte Ernie hatte kehrtgemacht und schlurfte in panischer Angst davon. Sein Geheul hallte durch den Flur, so dünn und hilflos wie das eines Kindes. Messinger sah ihm nach, Unentschlossenheit in den Augen. Er verlor das Interesse und wandte sich wieder an mich. »Hol die Wagenschlüssel.«
    Die Tasche lag da, wo ich sie fallen gelassen hatte, in der Nähe des Telefons. Unfähig zu sprechen, zeigte ich auf sie. Ich sehnte mich nach meiner Waffe.
    »Wir nehmen meinen Wagen. Du fährst.«
    Er packte meinen Kopf und vergrub die Hand wieder in meinem Haar, stieß mich so wütend vorwärts, dass ich aufschrie vor Angst.
    »Halt den Mund!«, flüsterte er. Sein Gesicht war dicht neben meinem, als wir die Stufen hinuntergingen. Ich stolperte und tastete mit der Rechten nach dem Geländer, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mein Absatz rutschte von der Stufe ab, und ich stürzte fast. Ich dachte, er werde mir die Haare ausreißen, mich buchstäblich skalpieren, wenn er die Faust nicht öffnete, die mich fest hielt wie ein Schraubstock. Ich konnte nicht nach unten schauen und den Kopf nicht zur Seite drehen. Unter den Sohlen spürte ich die gekieste Zufahrt. Ich ging mit ausgestreckten Händen wie eine Blinde, ersetzte die Augen durch andere Sinne. Der Wagen stand auf der Zufahrt in der Nähe des Schuppens. Ich überlegte, ob vielleicht ein Nachbar uns beobachtete, dem auffiel, wie unbeholfen und schwerfällig wir uns bewegten. Im Geist sah ich Rochelles Gesicht vor mir. Bitte sei im Flugzeug!, flehte ich. Bitte sei schon in der Luft! Nimm Dietz für immer mit und bring ihn irgendwohin, wo er sicher ist. Ich stellte mir seine Ungeduld, seine Heftigkeit vor. Mit meiner ganzen Willenskraft zwang ich ihn in ein Taxi, brachte ihn aus der Gefahrenzone. Ich konnte ihn nicht retten, konnte diesmal nicht einmal mich selbst retten. Messinger riss die Beifahrertür auf und stieß mich über die Vordersitze. Er fuhr einen gelben Rolls-Royce: Armaturenbrett aus Nussbaumholz, Lederpolster.
    »Lass den Wagen an«, sagte er. Er stieg ein, rutschte ganz dicht an mich heran und presste mir den Pistolenlauf an die Schläfe. Er atmete schwer, seine Anspannung konzentrierte sich auf den Griff, mit dem er die Waffe hielt. Wenn er mich erschoss, würde ich es nicht spüren. Ich würde tot sein, ehe der Schmerz mir durch die Nerven schießen und ins Bewusstsein dringen konnte. Ich wollte, dass er es tat. Jetzt. »Tu’s endlich!«, sagte er. Ich glaubte, meine eigene Stimme zu hören, so sehr stimmte das, was er
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