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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See
Autoren: Alexander Kent
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Landfall
    Der gewundene Pfad, der sich um die weite Bucht von Falmouth zog, war gerade breit genug, um Pferd und Reiter Platz zu bieten. Er war kaum ungefährlicher als der Fußpfad, der sich irgendwo weiter unten befand. Für einen Fremden oder einen Furchtsamen würden beide gleich gefährlich sein.
    An diesem Morgen schien die Küste verwaist, die Geräusche beschränkten sich auf das Kreischen der Seevögel, das gelegentliche lebhafte Trillern eines Rotkehlchens und den wiederholten Ruf eines Kuckucks, der nicht näher zu kommen schien. An einigen Stellen war die Steilküste abgebrochen. Dort verlief der Weg so nahe am Rande, daß man von unten das Brechen der See an den zerklüfteten Felsen hören konnte.
    Feuchte Kälte hing in der Luft, obwohl es Ende Juni war und der Horizont sich in wenigen Stunden scharf und klar abzeichnen und die See wie Millionen Spiegel glitzern würde. Pferd und Reiter nahmen langsam eine niedrige Bodenwelle und blieben bewegungslos stehen; an diesem verhexten Küstenstreifen wirkten sie wie eine Erscheinung, die jederzeit plötzlich wieder verschwinden konnte.
    Lady Catherine Somervell versuchte sich zu entspannen, während sie in den treibenden Dunst zurückblickte. Man mußte sie in dem großen grauen Haus unten in Pendennis Castle für verrückt halten, so wie der Pferdejunge, der seine Laterne hochgerissen hatte, als sie ihn aus dem Schlaf holte. Er hatte gemurmelt, daß er den Stallmeister oder den Kutscher rufen würde, aber das hatte sie abgelehnt. Während er Tamara sattelte, die kräftige Stute, von Richard Bolitho für sie ausgesucht, hatte sie immer noch diese drängende Unruhe gespürt, die ihr keinen Frieden ließ.
    Sie hatte sich in dem großen Raum, ihrem gemeinsamen Zimmer, eilig angekleidet. Ihr langes dunkles Haar war nur nachlässig über den Ohren zusammengesteckt. Sie trug ihren dicken Reitrock und einen von Richards alten Marinemänteln, die sie oft während ihrer Spaziergänge auf den Klippen benutzte.
    Während sich Tamara vorsichtig ihren Weg suchte, merkte sie, wie der Ginster und die Büsche an ihrem Rock zerrten, und schmeckte dabei die See auf den Lippen. Die See, der Feind, wie es Bolitho einmal in einem der seltenen privaten Momente ausgedrückt hatte; seine Stimme war bitter gewesen.
    Sie klopfte auf den Hals des Pferdes, um sich selber Mut zu machen. Ein schnelles Postschiff hatte die Neuigkeiten aus der Karibik nach Falmouth gebracht. Die englische Flotte und eine beachtliche Landstreitmacht aus Soldaten und Marineinfanterie hatten Martinique angegriffen, den wichtigsten französischen Stützpunkt für Marineoperationen dort. Die Franzosen hatten sich ergeben, ihre Aktivitäten in der Karibik und auf dem Festland waren zum Erliegen gekommen.
    Catherine hatte die Gesichter der Leute auf dem Platz beobachtet, als der Dragoneroffizier die Nachricht verlesen hatte. Den meisten von ihnen dürfte die Bedeutung Martiniques, das seit Jahren ein Dorn im Fleische der Briten war, nicht bewußt gewesen sein. Viele dürften nicht einmal gewußt haben, wo es lag. Es herrschte wenig Begeisterung, und es gab auch keine Hochrufe, denn man schrieb das Jahr 1809. Vier Jahre waren vergangen, seit Nelson, der Liebling der Nation, seinen Tod gefunden hatte. Die Schlacht bei Trafalgar war vielen als die entscheidende Wende in diesem endlosen Krieg erschienen.
    Mit dem Postschiff war auch ein Brief von Richard gekommen. Er war in großer Eile geschrieben worden und enthielt keine Einzelheiten. Der Kampf war vorüber, und er verließ sein Flaggschiff, den Vierundneunziger
Black Prince
, um gemäß Befehl sofort nach England zurückzukehren. Es erschien ihr sogar noch jetzt unglaublich. Er war nur wenig länger als neun Monate fort gewesen. Sie hatte sich selber auf eine viel längere Zeitspanne vorbereitet – zwei Jahre oder sogar drei. Sie hatte nur für seine Briefe gelebt und stand ansonsten Bryan Ferguson, Bolithos einarmigem Verwalter, helfend zur Seite. Da jeder junge Mann in die Flotte gepreßt wurde, der nicht das Glück hatte, schützende Gönner zu haben, war es schwierig geworden, die Landwirtschaft und das Anwesen in Schuß zu halten. Es gab ein paar verkrüppelte Männer, die früher unter Bolitho gedient hatten, Männer, um die er sich jetzt kümmerte, so wie er es früher auch auf See versucht hatte. Viele Gutsbesitzer würden sie an den »Strand« geworfen haben, wie Richard es ausdrückte. Sie hätten dann bei denen betteln müssen, für deren Schutz sie
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