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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten
Autoren: Berndt Guben
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die Sucht, zu plündern und zu zerstören. Zudem war ihr Blutrausch nach der Niedermetzlung der verräterischen Polizisten abgeklungen.
    Aladin fragte mit dröhnender Stimme:»Wer hat gesehen, wohin sich Aisad geflüchtet hat? Irgendwo muß der Schuft doch stecken! Zwanzig Mann bleiben als Wache hier. Ihr anderen geht ihn suchen. Vergeßt keinen Winkel in der Stadt.«
    »Und wer ihn uns bringt«, setzte Hammuda hinzu, »erhält hundert Piaster. Tot oder lebendig, schafft ihn herbei!«
    Johlend drängte die Menge durch die Gänge ins Freie. Ein wildes Suchen begann. Die Einwohner der Stadt wurden aus den Betten gerissen. Man öffnete jeden Schrank und blickte unter jede Lagerstatt, man durchstöberte hunderte von Kellern und Nischen, man stellte alles auf den Kopf.
    Aber Aisad blieb verschwunden.

59
    Hammuda hatte Aladin, Michel und Ojo gebeten, ihn für eine Weile zu entschuldigen. Er begab sich in das Schlafgemach seines Vaters und brachte diesem die frohe Kunde. Mühsam richtete sich der dicke Bej auf. Der Ausdruck der Grausamkeit in seinen Augen war dem der Angst und des Schreckens gewichen. Nichts erinnerte mehr an seine Selbstherrlichkeit. Hammuda nutzte die Schwäche seines Vaters, um sich von ihm beim Bart des Propheten schwören zu lassen, daß der Bej von nun an mehr auf das Wort des »Kronprinzen« hören wolle als auf das seiner zweifelhaften Ratgeber.
    Ojo und Michel zogen wieder in jene Räume ein, die sie vor der unglückseligen Löwenjagd innegehabt hatten. Aladin hingegen wollte keine Wohnung im Palast. Als man sie ihm anbot, lehnte er mit den Worten ab:
    »Ich gehöre zum Volk. Ich muß hören, ob das Volk mit seiner Regierung zufrieden ist. Und dazu muß ich unter ihm leben. Ich werde mein Polizeihauptquartier in der Festung aufschlagen.« Michel wurde für die Rettung des Thrones mit hohen Ehren ausgezeichnet. Als einige Tage vergangen waren, trat Hammuda Pascha eines Morgens nach dem Gebet unangemeldet in das Zimmer des Pfeifers. »Es salam alejkum«, grüßte er höflich. Und ebenso höflich erwiderte Michel den Gruß.
    »Sahabati«, begann der Pascha, »du hast uns vorm Untergang bewahrt. Mein Vater und ich möchten dir unsere Dankbarkeit beweisen. Wir haben eine wunderbar schöne tscherkessische Sklavin gekauft, um sie dir zu schenken.«
    »Sayd«, sagte Michel, »vor nicht allzu langer Zeit hast du mir schon einmal ein Mädchen zum Geschenk machen wollen. Aber du weißt, es gibt nur eine Frau, die ich zu besitzen wünsche. Und wenn ich diese nicht haben kann, so will ich keine.«
    »Du hast dieses Mädchen noch immer nicht vergessen?«, fragte Hammuda in ungläubigem Erstaunen.
    »Nein. Seit ich sie das erstemal gesehen habe, hat sie mein Herz gefangen wie Scheherezade das des Sultans.«
    Gleichnisse aus den Märchen von Tausendundeiner Nacht anzuführen, gehörte zum guten Ton aller gebildeten Mohammedaner. Da Michel immer noch als ein solcher angesehen wurde, machte er diese Mode mit.
    »Wenn es Allahs Wille ist, daß du sie suchen sollst, gut denn, du darfst meiner Hilfe gewärtig sein.«
    »Maschallah, dann weißt du also, wohin ich zu gehen habe, um sie zu finden?«
    »Das, und noch ein weniges mehr. Der Sklavenhändler Mustapha hat sie tatsächlich auf seinem Schiff »Mapeika« nach Istanbul mitgenommen.«
    »Und hast du herausbekommen, was dann mit ihr geschehen ist?«
    »Soviel mir unser Gesandter in Istanbul berichten konnte, soll eine Frau mit roten Haaren auf dem großen Sklavenmarkt verkauft worden sein, und zwar an einen Unbekannten. Es wird vermutet, daß dieser Unbekannte sie für den Harem des Sultans aussuchte. Aber sicher ist es nicht.«
    Michel schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: »Kannst du begreifen, daß meine Liebe so stark ist, daß ich nun selbst nach Istanbul reisen möchte?« »Das ist ein beschwerlicher Weg. Und er birgt Gefahren in sich.« »Das ist gleichgültig. Ich ziehe, wenn es sein muß, durch das ganze Morgenland und mache dabei gleich eine Pilgerfahrt nach Mekka. Würdest du mir auch dazu deine Hilfe nicht versagen?«
    »Sahabati, noch vor drei, vier Wochen wäre es unmöglich gewesen, daß ich dir behilflich sein könnte. Aber heute kann ich meinen Vater dazu bestimmen, dich gehen zu lassen. Aber er wird es nicht gern tun, wenn er erfährt, daß Istanbul dein Ziel ist. Es ist leider so, daß unsere Beziehungen zur Hohen Pforte nicht die besten sind.« Michel wollte den Grund hierfür wissen. »Der Sultan ist böse auf meinen Vater, da dieser
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