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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten
Autoren: Berndt Guben
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überbringen.«
    Marina sah ihn verwundert an.»Sprich doch schon! Spann mich nicht auf die Folter!« »Ein Schiff nähert sich, oder besser, wir nähern uns dem Schiff; denn es kommt nur langsam voran. Seine Takelung ist behelfsmäßig. Es wird uns ein Leichtes sein, es zu überfallen.« Marina nahm sich zusammen. Sie ahnte mehr im Unterbewußtsein als mit wachen Sinnen, was Guillermo jetzt erzählen würde. Sie hielt sich zurück und fragte mit erkünstelter Gleichgültigkeit:
    »Pah — wie kann dich ein kampfunfähiges Schiff, das halb abgetakelt ist, in einen solchen Freudentaumel versetzen?«
    Guillermo platzte heraus:
    »Es ist - es ist - die »Quebec«!«
    Da war es ausgesprochen, was Marina gehofft und zugleich gefürchtet hatte. Nur mit Anstrengung gelang es ihr, eine zufriedene Miene aufzusetzen. Hier, diesmal stand fest, daß die Mannschaft ihr Recht auf Rache fordern würde. Wenn Guillermo seiner Leidenschaft die Zügel schießen ließ, dann würden auch die anderen kein Halten mehr kennen. Verzweifelt fragte sich die Gräfin, wie dieses Schiff wohl nach einem Vierteljahr in der gleichen Verfassung kreuzen konnte wie damals. Eine furchtbare Ahnung stieg in ihr auf.
    »Guillermo«, fragte sie mit fester Stimme, »hast du die »Quebec« lange beobachtet? Sie müssen uns doch auch erkannt haben. Wie reagieren sie?« Guillermo trat verlegen von einem Bein auf das andere.
    »Nein, Senorita, ich bin gleich zu Euch gestürzt, nachdem mir der Ausguck gemeldet hatte, was er vor seinem Rohr sah. Ich wies ihn an, die Sache vorläufig noch für sich zu behalten.« »Das war sehr klug von dir. Komm jetzt an Deck. Ich möchte das Schiff beobachten. Dabei kannst du mir helfen.«
    Sie stiegen die Treppe empor und ließen ihre Blicke in die Runde schweifen. Es war nichts zu sehen.
    Die Gräfin rief den Mann aus dem Ausguck herab. Der kam mit bleichem Gesicht herunter, blickte sich scheu um und flüsterte:
    »Senorita, es war nicht die »Quebec«, es war ein Gespensterschiff; denn noch während ich es im Glas hatte, verschwand es in den Fluten.« Marina krauste die Stirn.
    »Erzähl nicht solchen Unsinn. Es gibt keine Gespensterschiffe. Ich werde in den Korb steigen und selbst beobachten. Ihr paßt auf, daß mich niemand sieht.«
    Die beiden nickten eifrig. Guillermo war gar nicht mehr so sehr für einen Angriff. Er hatte, wie jeder echte Sohn des Meeres, Angst vor dem Gespensterschiff. Vielleicht war es gar der »Fliegende Holländer«, der sich dem Ausguck als die »Quebec« gezeigt hatte? Marina stieg immer höher. Als sie den Mastkorb erreicht hatte, ließ sie ihr Glas im Kreise schweifen. Weit und breit war nichts zu sehen. Im Gegenteil, dort hinten, dicht am Horizont, wie es schien, lagerten Dunstwolken auf der Wasseroberfläche.
    Schon wollte die Gräfin wieder hinunterklettern, als sie überrascht einen Ausruf unterdrückte. Direkt aus dieser Dunstwolke fuhr jetzt ein Schiff heraus. Man konnte es deutlich sehen. Ja, das war die »Quebec«. Welches Schiff würde sich sonst mit einer solchen Takelage auf dem Wasser herumtreiben? Nun, es mochte noch andere Seefahrer geben, denen es ähnlich ergangen war. Aber das da jedenfalls war die »Quebec«. Man konnte sie deutlich an der Bauart erkennen, eine typische Fregatte.Die »Trueno« hatte direkten Kurs auf das untüchtige Schiff, das mit vielleicht vier Knoten dahinkroch.
    Marina behielt ihren Platz bei. Das Rohr vor ihrem Auge zitterte. Ihre Hände wurden feucht vor Aufregung. Näher und näher kam die »Trueno«heran. Jetzt konnte man schon die einzelnen Aufbauten, soweit sie noch vorhanden waren, unterscheiden.
    Doch es regte sich nichts an Bord. Die Frau im Mastkorb konnte nicht einen einzigen beweglichen Punkt erkennen.
    Sie setzte das Sehrohr ab und rieb sich die Augen. Dann setzte sie es wieder an. Die Entfernung verringerte sich zusehends. Keine Menschenseele war zu sehen.
    Nun waren die beiden Schiffe keine dreihundert Fuß mehr voneinander entfernt. Marina stieg eilends hinab. Ihr Gesicht war hochrot vor Aufregung.
    Auf dem eigenen Schiff war es inzwischen lebendig geworden. Man hatte auch ohne Aufruf das fremde Fahrzeug bemerkt. Alles drängte sich an der Reling.
    »Längsseits gehen!« durchschnitt plötzlich Marinas scharfe Stimme die morgendliche Beschaulichkeit.
    »Senorita?« fragte Guillermo verblüfft. »Wir sind noch gar nicht auf einen Kampf vorbereitet. Ich werde Befehl geben, die Enterbrücken zurechtzumachen und die Säbel umzuschnallen.« Marina
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