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077 - Die Hexe von Andorra

077 - Die Hexe von Andorra

Titel: 077 - Die Hexe von Andorra
Autoren: Dämonenkiller
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Die schwarze Katze huschte wie ein Schatten durch den nächtlichen Wald. Manchmal verschmolz sie mit den dunklen Baumstämmen, dann tauchte sie wieder geschmeidig wie ein Raubtier auf, und ihr schwarzes Fell schimmerte silbrig im Mondlicht.
    Julio Baroja hatte Mühe, ihr zu folgen. Manchmal glaubte er, sie aus den Augen verloren zu haben, und er wollte schon aufatmen, fühlte sich erleichtert, weil er glaubte, von seinen Verpflichtungen entbunden zu sein. Aber auf einmal war die schwarze Katze wieder da, den Kopf herausfordernd in seine Richtung gereckt, die gelben Augen voll Ungeduld und unterschwelliger Feindseligkeit auf ihn gerichtet.
    Und er konnte nicht anders, als ihr folgen. Er tat dies mit einem Gefühl des Unbehagens, denn er wußte, daß diese Nacht sich von den vorangegangenen grundlegend unterschied. Dabei erschien ihm das, was sich hinter ihm tat, viel weniger schrecklich, als das, was vor ihm lag. Die dunklen Schatten, die ihm in sicherem Abstand folgten, empfand er als weniger bedrohend als das Wesen, zu dem ihn die Katze führte.
    Es herrschte eine unheimliche Stille. Kein Laut war zu hören, nicht das Rascheln des welken Laubes unter seinen Füßen, nicht einmal sein eigener Atem.
    Er war nicht fähig, klar zu denken. In seinem Geist herrschte das Chaos. Alles in ihm war in Aufruhr. Es war ein Aufruhr der Emotionen. Alles in ihm drängte danach, seinen Seelenschmerz hinauszuschreien, aber eine unsichtbare Hand hatte seine Kehle mit eisigem Griff umschlossen.
    Der Wald lichtete sich. Eine windschiefe Hütte tauchte zwischen den Bäumen auf. Die Tür bewegte sich knarrend, als die Katze darin verschwand. Julio empfand das Geräusch als Erlösung, aber seine eigenen Schritte konnte er noch immer nicht hören.
    Er erreichte die Hütte, in der er als kleiner Junge immer mit seinen Freunden gespielt hatte. Wie gut er sich noch daran erinnerte, wie sie darin einmal von einem Unwetter überrascht worden waren, an das Trommeln des Regens, der durch das Dach getropft war und an das Heulen des Sturmes, der durch die Fugen der Bretterwände gepfiffen hatte.
    Aber diese Erinnerung wurde überlagert von Eindrücken, die ihm die Hütte bei seinen späteren Besuchen vermittelt hatte. Und als er sie jetzt betrat, da fand er sich plötzlich wieder in einer anderen Welt. Es war nun ein verzauberter Ort.
    Es roch nach Rauch, Zimt und Moschus. Zwei gelbe Kerzen verbreiteten ein goldenes Licht und ließen die Wände in einem überirdischen Glanz erstrahlen. Der alte Schuppen wurde zu einem Gemach aus Tausendundeiner Nacht - mit einer prunkvollen Liegestatt aus Stroh, auf der sich ein schlankes Mädchen räkelte, das schwarze Haar aufgelöst, den Blick ihrer rötlich schimmernden Augen von einigen Strähnen des Haares verschleiert, den Kirschlippenmund halb geöffnet und zu einem sanften, sehnsüchtigen Lächeln verzogen.
    „Julio."
    Sie hauchte seinen Namen nur, und trotzdem drückte sie damit all ihre Leidenschaft aus, die sie für ihn empfand. Hinter ihr fauchte und katzbuckelte ein schwarzer Schatten, den Schwanz steif wie eine Antenne in die Höhe gerichtet und ihn leicht hin und her bewegend, die Spitze wie einen Widerhaken krümmend.
    „Ssscht!" machte das Mädchen und streckte Julio im Liegen beide Arme entgegen. Und wieder besänftigend: „Ssscht, Estrella!"
    Die schwarze Katze duckte sich.
    Das Gefühl einer unbekannten Bedrohung verließ Julio. Er ergriff die Hände des Mädchens, ließ sich widerstandslos auf das Lager hinunterziehen und verschmolz mit ihrem Körper. Für eine unendlich lang scheinende und doch als zu kurz empfundene Zeitspanne legte sich der Aufruhr in ihm, versank das Chaos seiner Gedanken im Strudel des Glücks.
    Doch die Angst vor dem Unbekannten kehrte blitzartig wieder in seine Gedanken zurück, nachdem der Nachhall des Sinnenrausches verebbt war.
    Julio richtete sich ruckartig auf dem Strohlager auf. In Sekundenbruchteilen wurde das in überirdischem Glanz erstrahlte Gemach zu einem ärmlichen Schuppen. Er erinnerte sich der dunklen Schatten, die ihm hierher gefolgt waren, wollte dem Mädchen davon erzählen, doch etwas schnürte ihm die Kehle zu.
    „Was ist, Julio?" fragte eine schlaftrunkene Stimme.
    „Sixta, ich muß dich etwas fragen", sagte er barsch und versuchte gleichzeitig, sich gegen die Verzauberung, die von ihr ausging, zu wehren. „Sixta, bist du eine Hexe?"
    Das Mädchen stieß einen spitzen Schrei aus und sprang geschmeidig auf die Beine. Die Katze kam aus einer
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