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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten
Autoren: Berndt Guben
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sie mit schwacher Stimme, als sie wieder auf den Planken des eigenen Schiffes stand.
    »Tot?« fragten einige der Umherstehenden verwundert, »ermordet?« »Nein, verdurstet — — verdurstet«, wiederholte sie still für sich, »alle verdurstet — —« Die Korsaren, die weder Teufel noch Tod fürchteten, wenn sie ihnen während eines Kampfes offen ins Angesicht schauen konnten, bekreuzigten sich.
    »Santa Maria, Madre de Dios, beschütze uns«, murmelten automatisch die Lippen.»Wer geht nun mit mir hinüber? Wir müssen die Lebenden aus der Kajüte befreien.« Es meldeten sich ein paar Beherzte; Guillermo war selbstverständlich auch dabei. Mit Äxten bewaffnet schritten sie über das leichenbesäte Deck der britischen Fregatte. Die Treulosigkeit, die die Mannschaft an den spanischen Kameraden begangen hatte, hatte sich bitter gerächt. Das Schicksal, das sie ereilt hatte, mußte furchtbar gewesen sein. Den Korsaren stand das Grauen in den Augen, als sie die Treppe hinunterstiegen. Vor der Tür machten sie halt. Marina hämmerte wieder mit den Fäusten dagegen. Die Insassen hatten sich jetzt wahrscheinlich auf einen Angriff vorbereitet. Niemand antwortete.
    »Schlagt mit den Äxten zu, aber springt sofort zur Seite. Sie werden schießen, glaube ich.« Acht Beile krachten gegen die Füllung.
    Ein Schuß antwortete von drinnen. Die Kugel richtete jedoch keinerlei Schaden unter den Piraten an. Wohl ein dutzendmal wiederholten sie nun das gleiche Manöver. Dann schienen den Belagerten die Kugeln ausgegangen zu sein.
    Mit den Äxten war bald ein Riß in die Tür geschlagen. Man wartete noch eine Weile.
    Es folgte kein Schuß mehr.
    »Get out — Kommt heraus!« sagte Marina.
    »Eine Frauenstimme?« fragte drinnen jemand verwundert auf deutsch. Dann steckte dieser Jemand den Kopf durch den Spalt. Es war Graf Eberstein. »Großer Gott!« schrie er entsetzt, »das Seeräuberweib!« Zum Glück verstand ihn niemand.
    »So sprecht doch englisch«, sagte die Gräfin unwirsch, als sie erkannte, wen sie vor sich hatte. Eberstein kletterte unversehrt aus der Kajüte und sah die Korsaren mit ziemlich blödem Gesichtsausdruck an. Trotz allem schien er sich recht wohl zu fühlen. Er versuchte eine Verbeugung, die allerdings mißglückte. »Sprecht, wo sind die anderen?«
    »Tot«, antwortete er trübsinnig, »oder sie müssen sich noch an Deck herumtreiben. Sie haben sich um das Wasser gezankt. Sie werden nie wieder nach Kassel kommen. Waren schlechte Soldaten.«
    Er sagte das natürlich nicht in so fließendem Englisch, wie es hier wiedergegeben wird. Er stotterte ziemlich lange an den wenigen Sätzen herum. Aber Marina verstand, was er meinte. »Mir scheint vielmehr, daß Ihr ein sehr schlechter Offizier seid, Graf«, sagte sie. »Sagt mir, wo die Spanier sind und der deutsche Doktor, der Pfeifer, Ihr wißt schon, wen ich meine.« »Ich will Euch gern alles erzählen, was ich weiß, Madam«, meinte Eberstein hastig. »Aber könnt Ihr mich nicht zuvor aus diesem Loch hier herauslassen? Ich sitze hier drin schon zehn Tage.« »Ihr hattet noch Trinkwasser?« Der Graf nickte.
    »Aber lange hätte das auch nicht mehr gereicht.«
    »Schafft ihn hinüber und laßt ihn sich satttrinken«, wies die Gräfin zwei ihrer Korsaren an. Eberstein entfernte sich mit seinen Begleitern. An Deck sah er sich nicht einmal um. Er nahm sichtlich wenig Anteil an dem Geschick seiner verdursteten Kameraden.Drüben auf der »Trueno« stürzte er sich auf einen Eimer mit Wasser und trank, trank, was in ihn hineinging. Dann fiel er ohnmächtig zu Boden. Er hatte sich nicht Zeit zum Atmen gelassen.
    Marina und Guillermo waren unterdessen in die Kabine eingedrungen. Dort lagen mehrere Gewehre herum und zwei Pistolen. Der Himmel mochte wissen, wo Eberstein die gefunden hatte. Da fiel Marinas Blick auf eine ihr wohlbekannte Waffe. Es war der Damaszener-Degen des geliebten Feindes. Jawohl, kein Zweifel, hier hielt sie die gefürchtete Klinge des Silbador in der Hand.
    Doch ihre Suche nach dem Gewehr, das der Graf de Villaverde y Bielsa konstruiert hatte, blieb fruchtlos.
    »Seht hier, Senorita«, meinte Guillermo, »hier liegt ein halbes Faß voll Wasser. Der Kerl hatte sich gut versorgt. Damit hätte er noch einen Monat reichen können.«
    Marina war viel zu sehr in Gedanken versunken, als daß ihr das unglaubliche Tun des Grafen richtig zu Bewußtsein gekommen wäre. Wo war Michel Baum? Wo waren die Spanier?
    Guillermo lud sich das schwere Faß auf den
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