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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten
Autoren: Berndt Guben
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Eberstein die Wahrheit in den Nebensächlichkeiten zu erfahren. Sie wollte über den Verbleib der Fünf Bescheid wissen. Eberstein merkte langsam, worauf sie eigentlich hinaus wollte.
    »Ja«, fuhr er fort, »wir haben sie dann trotz schweren Widerstandes überwältigt. Das Schiff, das wir trafen und das uns Wasser brachte, wollte natürlich Bezahlung für dieses Wasser. So übergaben wir die Spanier und den Deutschen dem Kapitän der »Medina« als Sklaven. Die Algerier sind ja immer noch wie wild auf weiße Sklaven — eigentlich eine Schande.« Marina runzelte die Stirn.
    »Wenn Ihr es als eine Schande betrachtet, warum habt Ihr sie dann ausgeliefert?« »Was sollten wir machen, Madam?« Eberstein setzte eine empörte Miene auf. »Ich sagte bereits, sie waren unkameradschaftlich in bezug auf das Wasser. Sollten wir sie schonen und dafür allesamt verdursten? Dieser MichelBaum ist sowieso keinen Schuß Pulver wert. Er ist ein Deserteur. Er war Soldat und ist davongelaufen. Ich aber bin ein loyaler Offizier Seiner Hoheit des Landgrafen von Hessen-Kassel.«
    »Ah, hört auf, faselt nicht von Loyalität und macht Euern eigenen Befreier nicht gar so schlecht! So etwas sieht Euch zwar ähnlich; aber ich mag es nicht hören. Ich will auch nicht feststellen, wer von Euch beiden der größere Schuft ist, Ihr oder der Pfeifer. Sagt mir nur noch eins. Warum haßt Ihr diesen Mann so sehr, nur, weil er aus Eurer lächerlichen Armee ausgerückt ist?« Eberstein hatte eine scharfe Erwiderung auf der Zunge. Aber wenn diese Frau schon die ganze Truppe nicht ernst nahm, so erst recht nicht ihn, den fragwürdigen Vertreter einer vermieteten Streitmacht. So schluckte er denn hinunter, was ihm auf die Zuge kam, und meinte mit einem frechen Grinsen:
    »Sicher habe ich auch persönliche Gründe, ihn zum Teufel zu wünschen, mindestens ebenso gute Gründe wie Ihr——«
    »Werdet nicht unverschämt, das könnte Euch schlecht bekommen«, unterbrach ihn Marina böse. Sie begann diesen Kerl zu hassen. »Nennt mir Eure wahren Gründe. Aber sprecht etwas schneller. Ich habe keine Lust, noch lange in Eurer Gesellschaft zu verbleiben.« Eberstein bekam es auf einmal mit der Angst zu tun und wurde kleinlaut. Mit schwacher Stimme, in der hin und wieder ein deutlicher Unterton von Furcht zu verspüren war, fuhr er fort: »Wir liebten beide das gleiche Mädchen. Dabei war ich Offizier und er nur ein einfacher Soldat. Dennoch war er es, dessen Liebe erwidert wurde. Außerdem hielt er es für nötig, mich noch vor seiner Flucht vor den Augen dieser Dame zu demütigen, so daß ich trotz aller späteren Versuche und meines hervorragenden Namens eine Abweisung nach der anderen von ihr erhielt. Als ich dann selber als Führer einer Schwadron nach England und von dort nach Amerika fort mußte, da glaubte ich, diese Sache sei für alle Zeiten abgetan. Aber dadurch, daß dieser verräterische Musketier meinen Weg abermals kreuzte, ist alles wieder in mir aufgebrochen. Es ist furchtbar!«
    Der Graf bemühte sich, seinem Gesicht einen besonders gequälten Ausdruck zu verleihen, der diesmal seinen Eindruck bei der Gräfin nicht verfehlte.
    Schweigend schritt Marina in der engen Koje eine Weile auf und ab. Ein Gedanke durchzuckte mit derartiger Heftigkeit ihr Gehirn, daß es sie fast körperlich schmerzte. Wie wäre es, wenn —
    »Hört!« Sie drehte sich ruckartig um und sah ihn mit prüfenden Augen an. »Ihr seid wirklich davon überzeugt, daß der Pfeifer und seine vier Freunde an den Pascha von Algier abgeliefert worden sind?«
    »Ich kann das natürlich nicht beschwören; aber ich bin davon überzeugt. Nach allem, was ich bisher über diese Korsaren gelesen habe, fahren sie sämtlich im Auftrag der arabischen Fürsten auf Raub aus. Läge es nicht nahe, daß auch die Sklaven dem Herrscher vorgeführt werden?« »Well, dann mache ich Euch folgenden Vorschlag: Ihr seht zu, daß Ihr so schnell wie möglich in Eure Heimat zurückkommt und das Mädchen, das der Silbador scheinbar noch immer nicht vergessen hat, heiratet.«
    Eberstein machte ein ziemlich einfältiges Gesicht: »Habe ich Euch richtig verstanden?«
    »Ihr sollt das Mädchen des Silbador heiraten. Ist das nicht klar genug? Ich setze Euch irgendwo an der Küste von Frankreich ab, und Ihr seht zu, daß Ihr auf schnellstem Wege heimkommt.« Sie machte eine Pause und berauschte sich an diesem Gedanken. »Es wird Euch doch gelingen, sie umzustimmen?«
    Eberstein setzte sein dreckigstes Grinsen auf.
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