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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten
Autoren: Berndt Guben
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Rücken. Dann verließen sie beide, gefolgt von den zurückgebliebenen Korsaren, das Totenschiff.
    Einige Zeit später gingen ein paar Korsaren an Bord der »Quebec« und schütteten vom Kielraum bis zum Oberdeck eine dicke Pulverspur auf die Planken. Die »Trueno« setzte sich ab. Als einige Fuß Zwischenraum zwischen den beiden Schiffen waren, warfen die Piraten brennende Fackeln hinüber, dorthin, wo das Pulver am dicksten lag.
    Noch lange in die Nacht hinein stand das Totenschiff wie ein loderndes Fanal auf dem ruhigen Wasser des Ozeans. Dann endlich sank es. Die Toten hatte ihre Ruhe.

2
    Marina schritt ungeduldig in ihrer Kabine auf und ab. Der Graf war noch immer nicht aus seiner Ohnmacht erwacht. Sie fieberte nach seinem Bericht über die Verschwundenen. Wieder und wieder machte sie die Runde in ihrer Kajüte. Es war höllisch, so lange warten zu müssen.
    Da endlich öffnete sich die Tür, und ein Korsar meldete, daß der Überlebende vom Totenschiff die ersten Zeichen des Erwachens von sich gegeben habe.
    Marina eilte hinüber in die Krankenkoje, die einstmals ihr eigenes Quartier gewesen war. Graf Eberstein war jetzt völlig wach, und wie es schien, fühlte er sich recht zufrieden. Nur ganz kurz huschte ein Schatten der Unsicherheit über sein Gesicht, als er die Kapitänin erkannte. Weshalb war sie so aufgeregt? Lag es an ihm?
    »How do you feel — wie fühlt Ihr Euch?« fragte sie mit nicht zu verbergender Hast in der Stimme.
    Eberstein war gewitzt genug, weiterhin den Schwachen zu spielen.
    »Wenn Ihr Geduld habt, so kann ich Euch wahrscheinlich eine Zeitlang Rede und Antwort stehen. Wenn Ihr mich aber über die Einzelheiten der Schiffskatastrophe vernehmen wollt, so wartet lieber noch. Die Erinnerung daran könnte mich in eine neue Ohnmacht bringen.« Marina machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Ach, das Schiff — das Schiff interessiert mich nicht. Ich bin nicht der Vorsitzende eines Gerichts, der die Schuldfrage feststellen will. Ich mache Euch einen Vorschlag.« Eberstein nickte. Er war gewillt, alle Vorschläge anzunehmen, deren Ausführung nicht sein kostbares Leben gefährden würde.
    »Wenn Ihr annehmt, so können wir gleich an die Ausführung gehen. Wenn nicht, nun---«,
    sie ließ offen, was dann folgen würde. Und Eberstein hatte mittlerweile herausgefunden, daß Seeräuber keineswegs zimperliche Naturen waren, wenn es um das Leben anderer, ja sogar ehemaliger Feinde ging.
    »Sprecht, Madam. Wenn es möglich ist, Euern Vorschlag auszuführen, dann will ich es gern tun, sofern Ihr mir Leben und Freiheit zusichert.«
    »Das eben war mein Angebot. Leben und Freiheit für Euch, wenn Ihr mir bis ins Einzelne erzählt, wo die Spanier und dieser Deutsche geblieben sind. Unter den Verdursteten konnten wir sie nicht entdecken.«
    Eberstein bekam es ein wenig mit der Angst zu tun. Weshalb interessierte sich die Frau so besonders für diese fünf Menschen?
    Kleine Schweißperlen traten ihm auf die Stirn. Dann aber sagte er sich, daß Michel Baum und die Spanier schließlich Feinde der Kapitänin waren. Wäre es nicht vielleicht am besten, man blieb bei der Schilderung möglichst in der Nähe der Wahrheit? Auf diese Weise würde man es vermeiden, sich in etwaige Widersprüche zu verwickeln. Ein klein wenig durfte man natürlich hinzuerfinden. Das war klar. Es widerstrebte selbst einem Eberstein, seine Ehrlosigkeit in Gegenwart einer Korsarin zuzugeben. Er dachte sogar für Sekunden an seine Stellung, an seinen Rang als landgräflicher Rittmeister, an seine Offiziersehre. Als er jedoch ob seines langen Zögerns eine Unmutsfalte auf der Stirn Marinas gewahrte, begann er seinen Bericht herunterzustammeln.
    Bis zur Sichtung des algerischen Schiffes erzählte er alles wahrheitsgetreu. Die Gräfin hatte mehrmals durch ungeduldiges Nicken gezeigt, daß sie an der Vorgeschichte nicht besonders interessiert sei.
    »Nun«, fuhr Eberstein fort, »und als das Wasser immer knapper wurde, da eroberte sich Baum, der Arzt, ein ganzes Faß des kostbaren Nasses. Nur er und seine Kameraden durften davon trinken. Wir ändern waren fast am Verdursten. Gegen ihn konnten wir nichts ausrichten, denn er war bewaffnet. Wir hatten nicht einmal Dolche. Das Gewehr und die Pistolen habe ich erst viel später in einem Geheimfach der Kapitänskajüte gefunden — — —«
    »Weiter, weiter!« drängte Marina, die sich recht gut ausmalen konnte, wie es in Wirklichkeit gewesen sein mochte. Aber es lag ihr nichts daran, von
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