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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten
Autoren: Berndt Guben
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Offiziersuniform bekleidete Isolde Hawbury. Zwei Haremswächter packten das sich verzweifelt sträubende Mädchen, um es in den Palast zurückzuschleppen. Seitdem hatten sie nichts mehr von ihr gesehen.
    Hussejn machte nicht viel Federlesens. Er berief nicht erst den Diwan [2] ein, sondern befahl einer Kamelreiterpatrouille, die Gefangenen in die Steinbrüche am Rand der Wüste zu bringen. Er gewährte ihnen nicht einmal mehr eine Nacht Aufenthalt in Algier, obwohl Michel energisch verlangt hatte, vom Daj persönlich abgeurteilt zu werden. Hussejn hatte nur die Peitsche erhoben und abermals zugeschlagen. Er haßte die Fremden; denn er hatte Angst, daß sich sein Herr zu tief in das europäische Wesen verstricken könnte, wenn man die Fremden hier in Algier bis zu seiner Rückkunft ließ. Baba Ali hatte ihm bereits Andeutungen gemacht, daß man den pfeifenden Teufel vielleicht zum Janitscharenhekim 2 ernennen könne, um ihn zu veranlassen, nicht nur die Behandlung der Verwundeten auf den europäischen Stand zu bringen, sondern um ihm auch nach und nach die Rearmierung des ganzen Heeres zu übertragen. Hussejn aber hatte Sorge, daß europäische Einflüsse die Truppen verweichlichen würden. Die Janitscharenrepublik Al-Dschesair brauchte harte Soldaten, wenn sie sich erfolgreich gegen die überlegen ausgerüsteten Europäer zur Wehr setzen wollte. —
    Michel stieß einen Pfiff aus, wie um seine Gedankengänge damit zu unterstreichen. Jetzt war man nun hier, hatte schon die Vorläufer des Atlas überwunden, würde auch das Gebirge bald hinter sich lassen und dann — — — dann gab es so gut wie keine Rettung mehr. Die algerischen Steinbrüche am Rand der Wüste hatten noch keinen Menschen wieder hergegeben. Die Wächter erzählten in ihrem Kauderwelsch oft, daß selbst Eingeborene es höchstens zwei bis drei Jahre aushielten, bis sie den fürchterlichen Anstrengungen erlagen. Wie lange würde da wohl ein Ausländer — — —?
    Weiter, immer weiter ging der Zug. Es war ein Glück, daß die Kamele hier auf dem steinigen Boden langsam gehen mußten, obgleich die Reiter am liebsten nur Trab geritten wären. Doch da sie es nicht ändern konnten, begannen sie von Sattel zu Sattel laut schreiend eine Unterhaltung zu führen. Wild mit den Händen gestikulierend, schienen sie sich immer mehr in die abgründigsten Themen zu verstricken; denn es hagelte nur so Allahs und Mohammeds.
    Deste, der neben Michel einherwankte, hatte plötzlich ein Grinsen auf dem Gesicht.
    »Wozu die Burschen dauernd Allah und ihre siebenhimmlige Ewigkeit anrufen, ist unglaublich.«
    »Worum geht's?« fragte Michel, dem die Ablenkung willkommen war.
    »Sie wetten bei allen Marabuts, daß der Daj mit riesiger Beute von seinem Feldzug gegen die Spanier heimkehren wird, und daß sie von da an mehr Sold erhalten werden. Sie rechnen sich aus, daß sie zu dritt jeweils eine Frau kaufen könnten, alles im Namen Allahs und mit Hilfe des Propheten.«
    Michel blickte sich um und betrachtete die Unglücksgefährten.
    Bisher hatten sie alles leidlich überstanden. Selbst der alte Kapitän Porquez taumelte noch immer hinter seinem Kamel her. Er war ein zäher Bursche. Am meisten mitgenommen schienen Ibn Kuteiba, der gelehrte Steuermann, und der kleine Jardin. Abu Hanufa trug sein würdigstes Gesicht zur Schau. Über seine Lippen war noch nicht ein Klagelaut gekommen. Und Ojo war, was das Laufen anbelangte, einfach nicht zu übertreffen. Seine Zähigkeit schien keine Grenzen zu kennen. Er hatte es schon mehrmals fertigbekommen, in der Nähe von Brunnen einfach seinen Schritt dorthin zu lenken, wobei ihm das Kamel folgen mußte; denn seine Bärenkräfte waren so ungeheuerlich, daß selbst der Reiter nicht imstande war, das Tier in eine andere Richtung zu zwingen.
    »Wie ist das, Doktor, meint Ihr, daß wir hier jemals wieder herauskommen? Ich habe nicht viel Hoffnung.«
    Michel nickte nachdenklich.
    »Wir werden zumindest alles versuchen. Am schlimmsten ist es, daß der Schuft, dieser Hussejn, mein Gewehr in Algier behalten hat. Wenn es einer von diesen Burschen hier bei sich trüge, so hätten wir wenigstens eine wirksame Waffe in Aussicht. Andererseits frage ich mich schon die ganze Zeit, wie wir ohne ein Messer unsere Fesseln zerschneiden sollen. Die Knoten bekommen wir niemals auf.«
    Michel erhielt plötzlich einen Stoß mit dem Gewehrkolben.
    »Kelb ibn Kelb!«, schrie ihn einer der Wächter an. »Was hast du hier zu erzählen? Bei Allah, ich haue dir das
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