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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten
Autoren: Berndt Guben
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Michel, »sonst gibt es unnötige Aufregung, dann schießen uns die Kerle womöglich gleich zusammen. Wir müssen kaltes Blut bewahren.«
    »Wir sollten versuchen, uns zu befreien! Ich werde meinem Wächter den Krummsäbel zu entreißen versuchen. Wir müssen---«, sagte Deste hastig, und kleine Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er wollte vorwärtsstürzen. Michel wußte sich nicht anders zu helfen, als ihm ein Bein zu stellen.
    Durch Destes Fall wurden die Wächter wieder auf die Gefangenen aufmerksam. »Steh auf, du Hund!« brüllte einer den Spanier an und stieß mit dem Kolben nach seinem Kopf. »Allah! Waliah! Tallah!« schrie der Zugführer jetzt begeistert. »Seht doch, es sind unsere Leute. Beim Barte des Propheten, es sind Janitscharen wie wir!«
    Tatsächlich konnte man jetzt einzelne Reiter erkennen. Immer näher kamen die Leute des Daj. Aber es waren nur wenige Janitscharen. Die Menschenmasse, die die große Staubwolke verursachte, bestand aus gefangenen Spaniern. Ein Haufen von annähernd fünfzehnhundert Menschen wälzte sich über das Geröllplateau.
    Das Stöhnen der Verwundeten wurde laut. Schmerzensschreie stiegen zum Himmel empor. Sie wurden von keinem Gott gehört. Erbarmungslos sausten die Nilpferdpeitschen auf die Rücken der Gefangenen und trieben sie immer wieder zum Laufen an. Blut floß aus staubverkrusteten Wunden, die mit jedem Schlag erneut aufplatzten. Es war ein Zug des Jammers und des Leides. Die zehn Posten, die mit ihren Gefangenen aus Algier kamen, brachen in Jubelrufe aus, stürmten auf ihren Kamelen ohne Rücksicht auf die daranhängenden Gefangenen ihren Kameraden entgegen und wurden von diesen mit dem gleichen Freudengeheul begrüßt. Michel stürzte über einen Stein und wurde eine Strecke weit geschleift. Deste überschlug sich gar mehrmals und riß sich an den Steinen die Arme blutig. Bei den anderen ging es glimpflicher ab. Dennoch waren Michel und Deste froh, daß sie für diesmal dem drohenden Tode entgangen waren. »Schejtan«, schrie der Anführer des großen Haufens, ein Onbaschi, den Heranstürmenden zu. »Wo kommt ihr her? Was habt ihr da für verfluchte Hunde an euren Tieren hängen? Wollen wir sie nicht in die Reihen der anderen jagen? Ich nehme doch an, daß sie ebenfalls nach El Mengub in die Steinbrüche sollen, ist es nicht so?«
    »Allah hat deinen Verstand mit Weisheit ausgefüllt, Sihdi; aber wir haben vom Wesir den Auftrag, diese Giaur selbst in El Mengub abzuliefern.«
    »So wollt ihr euch uns anschließen?« »Wenn du erlaubst?«
    Der Onbaschi machte eine gönnerhafte Handbewegung.
    »Wie könnte ich euch meinen Schutz versagen? Ich bin der Vater der Gehorsamen. Ich bin der Beschützer der Schwachen und Gefährdeten. Bei mir braucht ihr keine Furcht zu haben, daß euch die räuberischen Berber überfallen. Schließt euch also an.« Deste übersetzte.
    »Gott sei Dank«, sagten die anderen, »dann hört wenigstens dieses mörderische Tempo auf.« Jardin blickte mit verstörten Augen um sich. Das waren doch Landsleute von ihm! Unverkennbar Spanier!
    Aber die Verbindung mit einigen Leuten aus den letzten Gliedern dieses Zuges herzustellen, war nicht leicht, weil die Kamelreiter sich an den Schluß gesetzt hatten und so zwischen Michel, seinen Freunden und den gefangenen Soldaten ritten.
    Meile um Meile legten sie zurück. Ojo schleppte noch immer den alten Porquez auf seinem breiten Rücken. Deste fluchte, Jardin hielt die Augen geschlossen. Abu Hanufa.schwieg, und Ibn Kuteiba klagte.
    Michel Baum grübelte. Er überdachte vieles, was er während der letzten Monate erlebt hatte. So hoffnungslos wie jetzt hatte er noch niemals in seinem Leben in die Zukunft gesehen. Sogar das Pfeifen hatte er während dieses Riesengewaltmarsches verlernt. Seine Lippen waren aufgesprungen und so trocken wie die Sträucher, die hin und wieder am Wege wuchsen. Hinzu kam, daß er die arabische Sprache nur brockenweise verstand, und das auch nur dann, wenn sich der Sprecher Mühe gab, klar und langsam zu sprechen. Das war zweifellos eine der stärksten Erschwerungen. Aus einer so verzweifelten Lage herauszukommen, ohne die Sprache der Feinde zu kennen, ohne sich dadurch mit der Mentalität der Araber vertraut machen zu können, war wenig aussichtsreich.
    Michel hatte beschlossen, den Aufenthalt im Steinbruch dazu auszunützen, um so gut wie möglich von Deste Arabisch zu lernen. Vielleicht blieben sie sogar mit Ibn Kuteiba zusammen. Michel konnte sich vorstellen, daß der
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