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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten
Autoren: Berndt Guben
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Gehirn aus dem Kopf, du stinkender Giaur!«
    Michel hatte zwar nicht alles verstanden, jedoch war der Ton deutlich genug, und es bedurfte keiner Übersetzung, ihm den Sinn der Worte klar zu machen. So trottete er weiter hinter dem Kamel her.

4
    Am Fuß des südlichsten Atlasausläufers liegt heute die Stadt El Mengub; zur Zeit, da unsere Geschichte spielt, war es noch ein kleiner, unbedeutender Flecken, der seine traurige Berühmtheit lediglich den Steinbrüchen verdankte, in denen täglich die Menschen wie Fliegen dahinstarben.
    Der Höhenzug, an dessen Fuß El Mengub liegt, bildet die nördliche Grenze des Gebietes der Uelad Sekri, der Uelad Mulat und der Schebka-Stämme, die alle zum großen Tribus der Beni Msab gehören. —
    Von Norden her näherte sich der Kamelreiterzug, zehn Tiere stark, an deren Sattelgurten unsere Freunde hingen. Zu Tode erschöpft, wurden sie mehr geschleift, als sie gingen. Die Kamele liefen jetzt in scharfem Trab.
    »Ho! — Heh! — Jallah!« schrien die Reiter, die froh waren, endlich das Ziel ihres Ritts zu erreichen. »Lauft, ihr Hunde, lauft! Oh, daß euch Allah verderben möge, ihr verfluchten Giaur!«
    Michel hielt sich verhältnismäßig gut. Immer und immer, wenn sein Körper versagen wollte, befahl er ihm durchzuhalten. Er wollte sein Leben nicht hier beschließen. Deste stöhnte und fluchte leise vor sich hin. Ihn hielt einzig sein eiserner Wille aufrecht. Seine Füße waren zu dicken, blutigen Klumpen angeschwollen.
    Und Jardin, der kleine Jardin? Er hielt die Augen geschlossen und war wohl halb besinnungslos. Nur die unaufhörlich rinnenden Tränen verrieten, daß er im Weinen Erleichterung suchte. Ähnlich wie Jardin ging es dem gelehrten Steuermann der »Medina«.
    Abu Hanufa lief dagegen wie eine Maschine. Nicht ein einzigesmal war der Laut einer Klage über seine Lippen gekommen. Seine Haltung war mustergültig; er erinnerte an einen zu Unrecht verurteilten Edelmann.
    Am unverwüstlichsten war Ojo. Seine Kräfte schienen nie zu erlahmen. Seit vier Tagen trug er schon den alten Kapitän Porquez auf seinen Schultern. Der alte Mann war zusammengebrochen. Sein erbarmungsloser Reiter hatte ihn über eine Strecke geschleift, bis es Ojo zu dumm wurde. Der Herkules blieb einfach stehen, zog das Kamel mit seinem Reiter neben das des alten Kapitäns, lud sich diesen auf die Schulter und trottete, als sei nichts geschehen, weiter. Dieser Beweis seiner nicht zu brechenden Kraft nötigte selbst den Wächtern ein achtungsvolles Staunen ab. Sie hatten irgendwie Angst vor ihm, und er kam ihnen unheimlich vor. So ließen sie ihn gewähren.
    Unvermittelt hielt der Spitzenreiter, der Zugführer, sein Tier an und blickte gespannt nach Westen.
    Von dort näherte sich eine riesige Staubwolke. Sie mußte von vielen Menschen herrühren; denn der Staub war trotz des geröllübersäten Bodens so dicht, daß sich der Himmel zeitweise verfinsterte.
    Die Reiter wurden aufmerksam. Michel flüsterte: »Vielleicht irgendein Berberstamm, der gegen den Daj und seine Janitscharen zu Felde zieht---?«
    »Herrgott«, stöhnte Deste. »Ihr meint vielleicht gar eine Rettung? Das wäre wunderbar.« »Frage Ibn Kuteiba, was er davon hält.«
    Deste wandte sich an den Steuermann.Doch der zuckte nur die Achseln.
    »Ich glaube nicht, daß es uns besser gehen würde, wenn wir in die Hände von Berbern fielen. Diese Stämme kennen noch weniger menschliche Regungen als die Araber. Sie haben nur ein Ziel: Beute.
    Es kann durchaus sein, daß in ein paar Minuten unsere Wächter ebenso gefesselt sind wie wir.« »Nichts!« flüsterte Deste Michel zu. »Er glaubt nicht an Rettung.« Destes Kameltreiber hatte wohl gemerkt, daß sein Gefangener sich mit Ibn Kuteiba über irgendetwas verständigt hatte. Und er sah auch, wie er nun Michel die Botschaft weitergab. Aber merkwürdigerweise reagierte er nicht darauf. Eine fiebernde Unruhe hatte sich der Janitscharen bemächtigt. Ihre Uniformen waren zu bekannt, als daß man sie übersehen hätte. Die Staubwolke kam immer näher. Doch noch immer konnte man keine Einzelheiten unterscheiden.
    Der Zugführer sagte etwas auf arabisch. Destes Gesicht leuchtete auf.
    »Doktor, sie beraten, ob sie uns freilassen sollen, weil wir sie an einer etwaigen Flucht hindern würden.«
    Doch kaum hatte er das gesagt, da wechselte der Ausdruck in seinem Gesicht. Schrecken stand jetzt darin. Die Reiter hatten sich geeinigt, die Gefangenen bei Gefahr zu erschießen.
    »Sag es nicht weiter«, zischte
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