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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten
Autoren: Berndt Guben
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freundschaftliche Beziehungen mit Frankreich unterhält. Aber vielleicht gelingt es dem Bej, den Sultan durch Geschenke zu beschwichtigen.« »Aber das ist doch kein Grund, mich nicht nach Istanbul gehen zu lassen.« »Das mag sein. Aber wir sähen es nicht gern, wenn ein Freund durch seine Bekanntschaft mit uns in Istanbul in Mißhelligkeiten geriete. Trotzdem bitte ich, mach dir keine Sorgen, wir werden schon einen Weg finden. Ich werde dich morgen zu einer Staatsaudienz beim Bej anmelden. Nun bitte ich dich, mich zu beurlauben.« Zum erstenmal schüttelten sich die beiden herzlich die Hand.

60
    Michel stand zur bezeichneten Stunde vor dem Thron des Herrschers der Gläubigen von Ifrikija. Der Bej reichte ihm die Hand zum Kuß, eine große Auszeichnung.
    »Erhabener Bej«, begann Michel in wohlgesetzten Worten, »ich habe nun deinen Sohn alles gelehrt, was ich hinsichtlich schnellen Schießens, überlegenen Fechtens und anderer königlicher Sportarten weiß. Und ich habe mein Leben eingesetzt, um Leben und Thron für dich, Erhabener, zu retten.«
    »Allah ist Zeuge, daß du die Wahrheit sprichst«, rollte der tiefe Baß des Bej durch den Thronsaal.
    »Darf ich nun eine Gnade erbitten?«
    »Es sei dir gewährt, und Allah weiß, daß ich versuchen werde, sie zu erfüllen.« »Ich habe gehört, daß du Geschenke an deinen kaiserlichen Bruder, den Sultan der Osmanen, zu schicken beabsichtigst. Vielleicht könntest du auch mich mit dieser Karawane deiner Boten nach Istanbul gehen lassen als einen, der es versteht, die Würdenträger der Pforte in den Vollkommenheiten der Schießkunst und anderer vornehmer Sportarten zu unterrichten. Ich hörte, daß der Sultan viele Turnierplätze besitzt, auf denen seine Vasallen Mut und Geschicklichkeit erproben.«
    »Er besitzt außerdem noch Armeen zu Fuß und zu Pferde«, sagte der Bej.
    Michel zögerte, bevor er seine nächste Bitte aussprach. Doch dann fragte er fest entschlossen:
    »Wirst du auch die Gnade haben, mir einen Firman [25] mitzugeben, der mich der Pforte empfiehlt?«
    »Das kann ich schon machen; denn ich nehme an, daß der Oberbefehlshaber des Sultans Verwendung für dich hat.«
    »Und wenn ich dann noch bitten dürfte, mich mit dem Nötigen für die Reise auszustatten...«
    Der Bej kniff die Augen zusammen und fixierte den Pfeifer. Dann lachte er:
    »Bei Allah, du weißt, wie man seine Anliegen geschickt und nacheinander vorbringt! Du willst also nicht wie ein armer Militärinstrukteur nach Istanbul gehen, sondern wie ein großer Effendi, dem man alle Ehre erweist.« Die Lippen des Bej verzogen sich zu einem Lächeln.
    »Wieviel Piaster würden nach deiner Meinung nötig sein, um dich als reichen, unabhängigen Herrn erscheinen zu lassen?«
    »Zehntausend«, anwortete Michel schnell.
    »Zehntausend? Maschallah, mit zehntausend würdest du meinen Gesandten ausstechen! Du sollst fünftausend haben.Und ich hoffe, daß mein Gesandter mir gute Nachrichten über dich sendet.«
    »Allah sei mit dir«, sagte Michel froh; denn er hatte auch nicht mit fünftausend gerechnet. »Der Großwesir wird dir den Firman ausstellen und die fünftausend Piaster geben. Ich werde dich mit meiner Karawane auf einem englischen Schiff nach Istanbul schicken. Die Engländer schulden mir Tribut und haben sich verpflichtet, besonderen Wünschen von mir nachzukommen.«
    Michel verbeugte sich. Die Audienz war beendet.
    Als er den Raum verließ, trafen ihn Hammudas lächelnde Blicke. Der »Kronprinz« nickte ihm heimlich zu, als habe er sich mit ihm verschworen.
    Wenn der Bej die Behauptung aufgestellt hatte, daß die Engländer Tribut an ihn zu entrichten hatten, so war daran etwas Richtiges. Alle seefahrenden Nationen, deren Schiffe die Wellen des Mittelmeeres durchpflügten, zahlten dem Bej eine jährliche Taxe, wofür sich dieser verpflichten mußte, seine Korsaren nicht auf ihre Schiffe anzusetzen. Damit hatten sie wenigstens vor dem tunesischen Araberfürsten Ruhe. Es war schon genug, daß Baba Ali, der Daj von Algier, ihre Schiffe belästigte.
    Am folgenden Morgen gingen Michel und Ojo mit den übrigen Boten des Bej an Bord einer britischen Fregatte, die vor Goletta ankerte. Es war das stolze Schiff »King Charles«, bestückt mit vierundzwanzig schweren Kanonen.
    Der Kapitän, John Byron, empfing sie höflich, aber zurückhaltend. Es war ihm gar nicht angenehm, diese Barbaren an Bord zu haben. Er fürchtete sie nicht etwa; aber er hatte wie alle Kapitäne der christlichen Länder eine
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