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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten
Autoren: Berndt Guben
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sich nach mir richtet. Er hat nun selbst erfahren, wie
    wenig er solchen Ratgebern wie Aisad trauen kann.«
    Nach einer absichtlich eingelegten Pause erklärte Michel endlich:
    »Gut denn, ich werde für euch kämpfen; aber mein stummer Freund muß mit dabei sein.« »Beim Barte des Propheten, wir vertrödeln hier die Zeit mit Rede und Gegenrede! Es ist klar, daß das gleiche auch für ihn gilt.« »Schwöre es bei allem, was dir heilig ist!« Hammuda schwor bei Allah.
    Sie stürmten die steinernen Stufen empor und rannten durch Gänge und Türen.
    Michel hatte Gelegenheit, Ojo zuzuzischen:
    »Wir sind frei. Spiel deine alte Rolle weiter.«
    Keuchend gelangten sie in die Gemächer des »Kronprinzen«.
    »Dort, an der Wand, hängen deine Flinte und der Kugelbeutel. Jetzt kommt es drauf an. Was gedenkst du zu tun?« fragte Hammuda.
    Michel nahm die Muskete an sich, prüfte sie kurz und war zufrieden. Mit der Schnelligkeit eines Zauberkünstlers lud er sie. Er wog sie in der Hand und sagte:
    »Nun führe mich dahin, wo es am brenzlichsten ist. Ich habe zwar noch keinen Plan; aber mir wird schon etwas einfallen, wenn ich sehe, wie der Kampf steht.«

58
    Die Hampers waren nur noch etwa fünfzig Mann stark. Schweiß und Blut rann den Tapferen in Strömen über die Gesichter. Selim, der junge Offizier, hatte den Krummsäbel mit beiden Händen gepackt. Er war von seinen eigenen Leuten getrennt worden und stand allein mitten im Haufen der Gegner.
    Wie ein Rasender hieb er um sich. Berge von Erschlagenen kennzeichneten jeweils seinen Standort. Aber alle Tapferkeit vermochte nichts gegen die immer zahlreicher werdenden Aufständischen.
    Der Wachkordon hatte sein Feuer einstellen müssen, weil die Nahkämpfer immer weiter vorgedrungen waren, bis dorthin, wo der Gang eine Biegung machte und die zurückweichenden Hampers nicht mehr zu sehen waren.
    Selim stolperte plötzlich. Nun war auch er bis an die letzte Treppe, über die man in die Gemächer des Bej gelangen konnte, zurückgedrängt worden. Der Widerstand erlahmte. Die kühnen Fechter hatten kaum noch die Kraft, den Säbelarm zu heben.
    In diesem Moment donnerte die Stimme Hammudas durch den Lärm.
    »Freunde, Getreue, die Stunde der Rettung ist da! Hier steht Abu Hanufa mit dem Zaubergewehr. Allah helfe uns, daß wir die verräterischen Hunde verderben!«
    Michel stand auf der obersten Stufe, er legte das Gewehr an und ließ zugleich eine Folge seiner schaurigen Triller hören.
    Der Lärm verebbte. Auch die Aufständischen hatten schon von der Löwenjagd des Bej gehört. Die Zauberflinte war bereits Gespräch in allen Dörfern, Städten und Oasen Tunesiens. »Ihr wißt«, schrie Michel jetzt, »daß ich euch mit der Schnelligkeit eines Blitzes vernichten kann. Weicht zurück und verlaßt den Palast!« Aisad schrie dagegen:
    »Männer Aladins, laßt euch nicht verblüffen! Kämpft weiter! Wir haben es gleich geschafft, dann gehört die Macht uns!«
    In diesem Augenblick erschien auch Aladin. Zögerten die Kämpfenden auch nach Aisads Aufforderung noch, so riß sie die Stimme ihres Führers wieder in den Kampf zurück. Zündend klangen Aladins Worte, schmetternd wie die Fanfare der Freiheit:
    »Tod dem Tyrannen, Brüder! Schluß mit der Knechtschaft! Frei wollen wir sein!«
    Michel, der vorgehabt hatte zu schießen, setzte auf einmal das Gewehr ab.
    »Wer ist dieser Mann?« fragte er Hammuda.
    »Es ist Aladin, ein Kämpfer gegen die Krone, ein Mann, der schon seit zehn Jahren die Glut der Revolution im Volke schürt. Versuche ihn zu schonen. Er ist ein ehrlicher, kühner Führer des Volkes. Ich fürchte, daß Aisad ihn für seine schmutzigen Zwecke mißbraucht hat.« »Ich kann nicht auf Freiheitshelden schießen«, sagte Michel.
    Da brach die Reihe der Hampers auseinander. Als erste stürmten die Polizeisoldaten Aisads die Stufen empor. Aisad hatte ihnen Weisung gegeben, die Familie des Bej sofort erbarmungslos zu vernichten, damit dieser Aladin nicht etwa auf den Gedanken verfiel, regulär Gericht zu halten. Denn dann mußte herauskommen, daß das Volk in erster Linie unter der Knute des grausamen Polizeimeisters gelitten hatte.
    »Das da sind keine Freiheitshelden«, rief Hammuda und wies auf die Anstürmenden. »Das sind schmutzige Verräter, Kreaturen Aisads!«
    Michel riß die Büchse hoch. Fünfmal hintereinander blitzte es auf, und fünf Getroffene sanken stöhnend zu Boden.
    Die Körper rollten die Stufen hinab gegen die Nachdrängenden, die ins Stocken gerieten.
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