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Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)

Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
Autoren: Su Turhan
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    A ußer einem Knurren herrschte Stille. Die Augustsonne hatte ihren Namen nicht verdient, unentschlossen schien sie durch die frisch geputzten Fenster der beiden Diensträume. Was für ein dummer Sommer, ärgerte sich der Sonderdezernatsleiter. Wieder knurrte sein Magen. Ein tiefer, grummelnder Ton, der ihm das Denken verleidete. Er schielte durch die offene Tür in den Nebenraum. Obwohl er Hunger als nichts Peinliches empfand, verspürte er Unbehagen. Er wollte das nicht. Wollte eben keinen Hunger haben, sondern satt sein, um seine Arbeit verrichten zu können. Es waren genügend Fälle auf dem Schreibtisch, die seine Aufmerksamkeit forderten. Sein Denkvermögen war jedoch auf einem Tiefpunkt. So war es nun einmal. Manchmal, sagte er sich, half es, sich abzulenken. Er stand auf und ging, die Hände in den Hosentaschen vergraben, zum Fenster. Zeki Demirbileks Blick wanderte unstet über die Bäume im Hof. Dann setzte er sich wieder, nur um abermals aufzustehen, denn völlig unvermittelt zog der dezente Duft von Kaffee herein. Er sehnte sich nach einer Tasse Espresso, dazu mindestens ein Liter Wasser. Erneut begab er sich zum Fenster. Im Hof entdeckte er Kollege Schneider von der Sitte. In der einen Hand hielt er einen Becher, vermutlich mit Kaffee gefüllt, in der anderen eine Quarktasche. Zu Zekis Glück fiel ihm eine Ungereimtheit bei einem aktuellen Fall ein. Schneider konnte da vielleicht helfen. Er beschloss, sich die Beine zu vertreten und ganz zufällig Schneider über den Weg zu laufen. Möglicherweise hatte er nützliche Hinweise zu einem Animierschuppen am Hauptbahnhof, der in einem Tötungsdelikt eine Rolle spielte.
    »Ich bin mal unten im Hof«, ließ er seine zwei Mitarbeiterinnen wissen und durchquerte das Büro. Sein Sakko blieb über dem Stuhl hängen, er trug ein hellbraunes Hemd zu einer schwarzen Hose.
    Isabel Vierkant und Jale Cengiz, die sich den vorderen Raum teilten, sahen verdutzt von ihren Unterlagen hoch. Beide hatten das brummende Knurren seines Magens gehört und beäugten sich besorgt. Sie wussten, wie sehr das seit drei Wochen andauernde Fasten ihm das Leben und die Arbeit schwermachte. Cengiz hatte ihrer Kollegin erklärt, dass der islamische Fastenmonat nach dem Mondkalender berechnet wurde und sich von Jahr zu Jahr um rund zehn Tage verschob. Heuer mussten die Gläubigen im Hochsommer unter Beweis stellen, wie nahe sie sich Allah fühlten. Manche – wie ihr Chef – betrachteten Ramadan auch als willkommenen Anlass, überflüssige Kilos loszuwerden.
    Als das Telefon läutete, hatte sich Vierkant wieder ihrem vertrackten Bericht zugewandt. Cengiz war in den Stapel ungeklärter Fälle vertieft. Auf Anweisung Demirbileks durchstöberte sie alte Ermittlungsakten auf der Suche nach Delikten, die dem Anforderungsprofil des Sonderdezernats Migra entsprachen – Kapitalverbrechen, bei denen Opfer oder Täter einen Migrationshintergrund aufwiesen. Um beim Anrufer den Eindruck zu erwecken, die Migra ersticke in Arbeit, wartete sie ab. Drei Mal zerriss das schrille Telefonläuten die Nachmittagsstille, bevor sie zum Hörer griff.
    »Polizeipräsidium München, Sonderdezernat Migra. Sie sprechen mit Jale Cengiz. Was kann ich für Sie tun?«, grüßte sie mit tiefer, lässiger Telefonstimme.
    Belustigt schüttelte Vierkant den Kopf über ihre Kollegin, die immer ihre Tonlage verstellte, wenn sie in einen Hörer sprach. Sie beobachtete, wie sich Cengiz’ Miene zu einem interessierten Erstaunen änderte. Die Beamtin mit dem Kurzhaarschnitt machte sich Notizen. Währenddessen klemmte sie sich den Hörer unter das Kinn und griff mit der freien Hand nach der schwarzen Jeansjacke.
    »Danke. Wir kümmern uns darum«, sagte Cengiz schließlich und reichte der Kollegin den Zettel.
    »Und?« Vierkant verdrehte die Augen bei dem Versuch, die Notizen zu entziffern. War das Türkisch oder Deutsch? »Kann ich nicht lesen, Jale.«
    »Ein Toter liegt im Wittelsbacher Brunnen.«
    »Im Wittelsbacher?«, fragte Vierkant mit verblüffter Stimme.
    »Wieso?«
    Vierkant war klar, dass ihre Kollegin München noch nicht gut genug kannte.
    »Der Brunnen ist mitten in der Stadt. Links und rechts mehrspurige Straßen. Da ertrinkt man nicht einfach.«
    »Werde es ja gleich sehen. Jedenfalls besteht Verdacht auf Migrationshintergrund. Könnte jemand nachgeholfen haben«, fasste Cengiz das Telefonat zusammen.
    »Aha«, erwiderte Isabel. »Dann hol Demirbilek auf dem Weg zum Auto ab. Ich bleibe hier, ich will endlich den
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