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Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)

Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
Autoren: Su Turhan
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fragte Stern nach. In seiner Stimme lag eine abschätzige Unentschlossenheit. Er blickte hinüber zu Herkamer. Der blickte genauso skeptisch drein wie sein Freund.
    »Glaubst du, man muss das Bier ausspucken wie bei einer Weinverkostung?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Leipold stirnrunzelnd. Die Frage hatte er sich nicht gestellt. Aber die Vorstellung, Bier zu trinken und es nicht die Kehle hinunterlaufen zu lassen, behagte dem Bayern nicht.
    »Mir wird das jetzt zu blöd. Entweder seid ihr um acht an der alten Messe, oder ihr lasst es bleiben. Servus. Ich gehe jetzt«, entschied er entnervt und verließ das Dienstbüro.

3
    D a kein offizieller Ermittlungsauftrag vorlag, sah Demirbilek davon ab, den Dienstwagen am Lehnbachplatz abzustellen. Er dirigierte Vierkant in eine Seitenstraße, wo sie nach langer Suche endlich einen Parkplatz fanden. Beim Aussteigen merkte er, wie entkräftet er war. Warum nur bereitete ihm das Einhalten des Fastenmonats so viel Mühe? Die Hitze war wegen des kümmerlichen Sommers erträglich. Trotzdem spürte er, wie Energie und Konzentration nachließen. Seine Gedanken kreisten um die Frage, weshalb er die Tortur auf sich nahm. Dreißig Tage lang. Von der Morgendämmerung bis zum Einbruch der Nacht war es ihm als Moslem nicht erlaubt, zu essen und zu trinken. Nicht mal eine Breze, wie er sie liebte – mit viel Butter und reichlich Salzkörnern. Auch Sex, Rauchen und sonstige überschwengliche Vergnügungen waren tabu. Ganz zu schweigen davon, während des Fastenmonats auf üble Nachreden, Verleumdungen und Beleidigungen zu verzichten. Lügen war ebenfalls verboten. Demirbilek überlegte, ob die Aufklärungsquote in muslimischen Ländern durch diese Auflage rapide anstieg. Wenn Täter nicht logen, was gab es dann zu ermitteln? Haben Sie das Verbrechen begangen? Ja. Fall gelöst.
    Aber so einfach ging es in der Welt nicht zu, auch nicht während des heiligen Fastenmonats. Dem Münchner mit türkischen Wurzeln war bewusst, dass die Enthaltsamkeit ähnlich wie bei den Christen dazu diente, die Sinne für das Wesentliche im irdischen Dasein zu schärfen. Die Nähe Gottes bei den einen, die Nähe Allahs bei den anderen an Körper und Geist zu erfahren. Demirbileks Auffassung über seinen Glauben lag aber eine besondere Auslegung zugrunde. Er nahm die religiösen Maßgaben recht locker. Er trank Alkohol, sei es Bier, Rotwein oder Rakı, aß jeden zweiten Sonntag Schweinebraten, und das vorgeschriebene fünfmalige Beten am Tag stand nicht auf seinem Programm. Manchmal ließ er sich beim Freitagsgebet blicken – wenn es Arbeit und Gemütsverfassung erlaubten. Trotz seines mannigfachen Fehlverhaltens war er überzeugt davon, in Allahs Augen ein guter Moslem zu sein – ein Menschenkind, das nicht anders konnte.
    Als er und Vierkant zu Fuß die monumentale Anlage des Wittelsbacher Brunnens erreichten, entdeckte Demirbilek im angrenzenden Park abseits der neugierigen Zaungäste und Kollegen der Spurensicherung Jale Cengiz. Sie kniete mit gebeugtem Oberkörper auf der Wiese, die Jeansjacke, die ihr sein Sohn Aydin geschenkt hatte, lag neben ihr. Wenn ich mich nicht täusche, sagte er sich, übergibt sie sich gerade.
    Demirbilek täuschte sich nicht. Cengiz hatte den schauerlichen Anblick der männlichen Leiche nicht ertragen. Sie hatte eine kaum verständliche Entschuldigung gestöhnt, bevor sie vor den Augen der hämisch lachenden Kollegen losgerannt war. Auf halbem Weg zu einer Böschung musste sie anhalten und sich übergeben.
    »Vierkant, kümmere dich um Jale. Die ist doch sonst nicht so leicht aus der Fassung zu bringen«, wunderte sich Demirbilek. Während Vierkant zu Cengiz eilte, begab er sich zum Brunnen. Der Tote lag im als Halbkreis geformten Hauptbecken, Fontänen aus den speienden Löchern prasselten in das grünlich schimmernde Wasser. Mit Gummistiefeln standen zwei Kollegen in Plastikoveralls im Becken und hievten den Leichnam heraus, um ihn vorsichtig auf dem abgesperrten Bürgersteig abzulegen. Demirbilek wartete, bis der Polizeifotograf und der Mann an der Videokamera mit den Aufnahmen fertig waren, dann setzte er sich an den Beckenrand und forderte die beiden Männer auf, ihm nicht länger die Sicht zu versperren. Die beiden murmelten eine grantige Erwiderung, verzogen sich jedoch. Mit geschlossenen Augen sprach der Kommissar
»Bismillahirrahmanirrahim«,
den Vers aus dem Koran, den Muslime im Alltag in allen erdenklichen Situationen verwendeten. Ihm half er, das hektische
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