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0058 - Meer der mordenden Hände

0058 - Meer der mordenden Hände

Titel: 0058 - Meer der mordenden Hände
Autoren: A.F. Morland
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Es war eine unheimliche Nacht.
    Die Eingeborenen hockten mit starren, ausdruckslosen Gesichtern in ihrem Auslegerboot. Lautlos tauchten die Paddel ein. Geisterhaft schob sich das Boot über das spiegelblanke Wasser.
    Furcht glänzte in den Augen der Männer. Sie waren nackt bis auf einen kleinen Lendenschurz. Ihre Haut schimmerte wie blank geputztes Kupfer. Eine unheimliche Stille umgab sie. Im Boot lag ein Leichnam. Ein Opfer der heimtückischen Lepra. Die gespenstische Prozession war unterwegs, um den Toten dem Meer zu übergeben, wie das seit undenklichen Zeiten getan wurde.
    Auf ein Zeichen des Anführers hörten die Männer auf zu rudern.
    Das Auslegerboot glitt noch einige Meter weit über das Wasser, dann stand es still. Ein geheimnisvolles Flüstern war urplötzlich zu hören. Die Männer schauderten. Ihr Anführer, ein kraftstrotzender Bursche mit kantigen Zügen, richtete sich auf. Er presste die Lippen fest zusammen. Sein Mund war nur noch ein schmaler Strich. Sein Blick glitt besorgt über die nächtliche Weite des Meeres.
    Seine Ahnen, Urahnen und die Ahnen davor waren hierher gekommen, um ihre Toten dem Meer zu übergeben. Haie hatten sich die Leichen geholt, doch das hatten die Eingeborenen vollkommen in Ordnung gefunden.
    Aber seit einiger Zeit waren es nicht mehr die Haie, die sich der Toten annahmen, und das beunruhigte den Anführer in diesem Moment. Er nickte seinen Männern zu. Sie hoben den Toten hoch und ließen ihn sachte – als ob er schliefe und sie ihn nicht wecken wollten – ins Wasser gleiten.
    Sobald der Tote über Bord gegangen war, wurde das Meer unruhig. Die Eingeborenen stürzten sich in großer Panik auf die Ruder.
    Kraftvoll legten sie sich in die Riemen.
    Ein unheimliches Schauspiel nahm wieder seinen Lauf…
    ***
    Klatschend schlugen die Ruder ins Wasser. Pfeilschnell schoss das Auslegeboot dorthin zurück, woher es gekommen war. Es sah nach Flucht aus.
    Kaum war das Boot in der Dunkelheit verschwunden, da fing das Meer scheinbar an zu kochen. Dämpfe stiegen von der brodelnden Wasseroberfläche auf. Schwefelgelbe Schwaden tanzten auf den gurgelnden Fluten.
    Plötzlich kam der Leichnam hoch.
    Er tauchte nicht bloß bis an die Wasseroberfläche auf, sondern wurde über sie hinausgehoben. Es war ein schauriges Schauspiel.
    Menschen, die es beobachtet hatten, hatten darüber den Verstand verloren.
    Bleiche Totenhände trugen den Leichnam. Sie ragten weit und unheimlich aus dem Wasser heraus und stützten den Lepratoten, trugen ihn geisterhaft über das Meer, einem dämonischen Bestimmungsort entgegen.
    Der Leichnam wanderte, steif wie ein Brett, an spitzen Korallenriffen vorbei. Das Flüstern, das die Luft füllte, wurde lauter. Unangenehm schrille Stimmen kreischten. Dazu war ein geisterhaftes Gurgeln zu hören. Es klang so schrecklich, dass es selbst dem mutigsten Mann höllische Angst gemacht hätte.
    Früher hatten sich die Haie der Toten angenommen.
    Heute waren die gespenstischen Hände an die Stelle der Haie getreten.
    Früher war es ein Ablauf gewesen, den die Natur vorgezeichnet hatte.
    Heute war es ein Ablauf, den der Satan vorausbestimmte…
    ***
    Professor Zamorra und seine reizende Sekretärin Nicole Duval wohnten im Hotel Dateline. Es war Abend. Die Tische waren von den Bediensteten auf die Hotelterrasse hinausgetragen worden, der kleine Swimmingpool im Hintergrund vermittelte den Eindruck von Erfrischung, und es duftete herrlich nicht nur nach Tournedos Bearnaise des Meisterkochs, sondern auch nach Frangipani und Hibiskus aus den benachbarten Gärten. Durch die Dämmerung war das Tap-Tap der fleißigen Frauen Nuku’alofas zu hören, die mit flachen Hämmern aus Chontaholz die weiche Rinde des Papiermaulbeerbaums dünn und breit klopften, um daraus Tapas – Rindenteppiche – herzustellen, die nach jahrhundertealten Traditionen bemalt wurden.
    Nicole und Zamorra machten Urlaub auf Tonga.
    Zamorra hatte in den letzten Wochen und Monaten so viel zu tun gehabt, dass es für ihn und seine Sekretärin hoch an der Zeit gewesen war, mal so richtig auszuspannen.
    Wo kann man das besser als in der Südsee? , hatte Zamorra gedacht.
    Und die nächste Maschine, die Frankreich nach hierher verließ, hatten sie umgehend bestiegen.
    An diesem Tag hatten sie Alain Rich, einen pfiffigen Franzosen, kennen gelernt. Rich schwirrte in einem Postflugzeug in der Gegend herum. Er hüpfte mit seiner alten Kiste von Insel zu Insel, brachte Missionare und Kranke von hier nach dorthin,
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