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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht
Autoren: Michelle Guenter
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ließ sie beinahe in die Knie gehen. Sie hatte es geschafft. Endlich.

~*~
    Er liebte nicht vieles, doch er liebte den Regen. So nass und kalt gelang es ihm, selbst die größten und schwersten Probleme davonzuwaschen. In Zanes Augen war Regen geradezu allmächtig. Er spendete Energie, reinigte und heilte. Es gab Momente, in denen Zane davon überzeugt war, dass Regen sogar seine größten Fehler davonspülen konnte. Irgendwann jedoch kam immer der Zeitpunkt, an dem er sich wieder aus dieser Vorstellung lösen musste. Heute war dieser Zeitpunkt noch weit entfernt und so stand Zane dort, nass, mitten im Regen, das Gesicht in die Höhe gerichtet. Das Wasser fiel ihm auf die blassen Züge, doch er lachte. Leise. Nicht so auffällig, dass die Menschen um ihn herum ihn hören könnten. Aufregung und Unverständnis war das Letzte, das er wollte. Nein, er mochte einfach dort stehen, einsam und verlassen und fest davon überzeugt, dass es dem Regen irgendwann einmal gelingen würde, ihn von seiner schwarzen Seele reinzuwaschen. Er wollte nicht das Wesen mit der dunkelsten Seele sein, das auf Erden wandelte.
    Seit sich Luzius von der Welt verabschiedet und Zane das Antrum verlassen hatte, waren nicht mehr als ein paar Wochen vergangen. Doch er hatte jede Minute, jede einzelne Sekunde gebraucht.
    Das, was ihm anfangs so unbegreiflich erschienen war, die Tatsache, dass er endlich frei war, war inzwischen schon fast vollständig in seinen Verstand gezogen. Sein ganzes Leben hatte er anderen gewidmet, nie hatte er für sich selbst gelebt. Erst war da Damian gewesen, der Mann, den er fast sein gesamtes Leben lang begleitet hatte. Doch obwohl er Damian stets gemocht hatte, rief der Gedanke an ihn keine Freude hervor. Noch immer hat Zane ihm nicht verziehen, dass er ihn belogen und verraten hatte. Ihm seinen echten Namen nicht zu verraten und ihm nicht zu erzählen, wie sein Leben vor seinem Unfall ausgesehen hatte, war das Schlimmste, was er ihm hätte antun können. Dann war Damian tot, gestorben durch seine Hand, aber frei war Zane dennoch nicht gewesen. Die Stelle in seinem Herzen, die Damian stets ausgefüllt hatte, war von einem neuen Gefühl übernommen worden. Ein Gefühl, das ihn dazu gezwungen hatte, weiterzumachen, ein Gefühl, das ihn weiterkämpfen ließ. Schon wieder hatte ihn die Freiheit verstoßen, denn sein neues Leben hatte er der Suche und der Vernichtung Luzius gewidmet.
    Jetzt, wo auch dieser nicht länger lebte, hatte Zane nichts mehr, was ihn belastete. Er war tatsächlich frei, sorgenlos und unbeschwert. Zanes Lachen wurde lauter, als er daran dachte, dass sein Leben endlich ihm selbst gehörte. Zum ersten Mal durfte er frei entscheiden, was er wollte, frei wählen, was er tat! Noch nie war ihm sein Leben so lebenswert erschienen. Und doch... jemand fehlte noch zu seinem Glück. Jemand, der ihn aus irgendeinem Grund so liebte, wie er war. Er hatte sie schon viel zu lange warten lassen. Als er der Regen schließlich aufhörte, war Zane verschwunden.

    Es geschah nicht selten, dass es in Schorfheide besseres Wetter gab als in London, allerdings verwunderte es Zane jedes Mal aufs Neue. Während vor seiner Wohnung in Englands Hauptstadt schiere Weltuntergangsstimmung geherrscht hatte, schien im Nordosten Deutschlands die Sonne. Seufzend starrte Zane in die hellen Strahlen. Frühling. Eigentlich nicht die schlimmste Jahreszeit.
    Als Zane schließlich den Kopf sinken ließ, überzog ein leichtes Runzeln seine Stirn. Irgendetwas war seltsam. Schorfheide hatte sich verändert. Er vermochte nur noch nicht genau zu sagen, worin diese Veränderung bestand. Misstrauen erfüllte seinen Körper und sein Herz und er beschleunigte seinen Schritt. Er rannte nun regelrecht, ohne zu zögern in die Richtung, in der er das alte Bauernhaus vermutete. Augenblicke später wusste er, dass die Richtung stimmte. Doch das Bauernhaus war nicht mehr das aus seiner Erinnerung.
    Verwirrt musterte Zane das große, helle Gebäude, das dort stand. Es war vollkommen restauriert worden, sah durch das Fachwerk alt aus und doch neu. Irgendetwas musste geschehen sein. Die Schattenkrieger, die er kannte, hätten das Antrum niemals verändert.
    Da hörte er Stimmen, ganz leise und dann ein Lachen. Mit erhobener Augenbraue und raschen Schritten umrundete er das Gebäude. Er stutzte, als er sich mit einem Mal direkt vor einer Baustelle befand. Da standen Mauern, direkt vor ihm, kahl und noch nicht besonders hoch, doch man erkannte sofort, zu welch
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