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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht
Autoren: Michelle Guenter
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sie schon wieder auf den Beinen, hetzte auf den rothaarigen Schattenkrieger zu. Als sie schließlich direkt vor ihm stehen blieb, die Klinge bedrohlich gegen seinen Hals gerichtet, hatte sich dieser noch immer nicht von der Stelle bewegt.
    „ Warum?“ Melicas Stimme war nicht mehr als ein Zischen. „Warum hast du versucht, mich zu töten?“
    Endlich eine Reaktion! Zwar nur ein schwaches Wimmern, doch immerhin bewies es, dass sich der Mann allmählich aus seiner Schockstarre löste. Melica presste das Messer nun förmlich an seinen Hals und zuckte mit keiner Wimper, als sie sah, wie das Metall durch seine Haut glitt und rotes, blankes Fleisch offenlegte. Ihr Mitleid war gestorben.
    „ Ich wollte das nicht!“, heulte Erik auf und starrte sie mit rot brennenden Augen an. „Wirklich nicht! Doch Gregor... Gregor befahl... und... und ich musste gehorchen!“
    „ Du hättest mich einfach so umgebracht?“, fragte Melica ungläubig.
    Woraufhin sich Erik endgültig von seiner Gesichtsfarbe verabschiedete. „Ich schulde ihm so viel“, krächzte er. „So viel! Ich... oh Gott, Melica, das tut mir so wahnsinnig leid! Aber... ich konnte nicht anders! Er hat doch recht! Sein Weg allein führt uns zum ewigen Frieden!“
    Ein Anhänger. Natürlich. Melicas Schnauben klang kälter als jedes andere zuvor. „Warum hast du es dann nicht geschafft? Warum bin ich noch am Leben?“
    Als Erik nicht antwortete, grub sie die Klinge noch tiefer in seine Haut. Dämonen konnten nicht bluten, doch Schmerzen hatten sie trotzdem. Eriks gequältes Zischen war der beste Beweis dafür. „Ich weiß es nicht“, murmelte er dann. „In dem Moment, in dem ich geworfen habe, bist du einfach gefallen. Als hättest du es gewusst. Es... es ist... woher hätte ich denn ahnen sollen, dass ich Gregor treffen würde, wenn du ausweichst?“
    „ Warum bin ich gefallen?“, hakte Melica scharf nach. „Ich hab nicht gesehen, dass du ein Messer auf mich werfen würdest!“
    „ Woher soll ich das denn wissen?“ Eine Träne lief Erik über das Gesicht, dann eine zweite. „Ich hab doch nichts damit zu tun! Bitte, Melica! Bitte gib mir nicht die Schuld!“ Er weinte nun wirklich, schluchzte so heftig auf, dass sich ihre Klinge unwillkürlich noch tiefer in seinen Hals bohrte.
    Seine Trauer und sein Schmerz ließen sie völlig kalt. Ungerührt blickte sie ihn an. „Du hast Gregor getötet, Erik. Zwar nur versehentlich, doch ich muss dir dafür einfach danken. Gregor hat mir Zeit gegeben, meine Entscheidung zu überdenken. Ich schätze, ich bin es dir schuldig, dir diesen Gefallen zurückzugeben. Du hast die Wahl, Erik. Entweder du vergisst deine Wahnvorstellungen vom oberen Ende der Nahrungskette oder aber ich töte dich. Ehrlich. Ich würde keine Sekunde zögern.“
    „ Ich bin auf deiner Seite“, antwortete Erik wie aus der Pistole geschossen. „Ehrlich, Melica! Bitte! Nimm einfach das Messer von meinem Hals!“
    Wohl niemand konnte ihr verdenken, dass sie Zweifel an seinen Worten hatte. Dennoch... Erik war ein Feigling, wie er im Buche stand. Er würde sie nicht angreifen, nicht ohne Messer und vor allem nicht solange sie sich noch wehren konnte. Außerdem rebellierte ihr Magen bei der Vorstellung daran, ihn umzubringen. Sie ließ ihre Hand sinken, blieb jedoch nur wenige Zentimeter von dem Rotschopf entfernt stehen. Den Blick hart wie Stahl auf ihn gerichtet, sagte sie scharf: „Hintergehe mich und du bist tot.“
    Als Eriks Hand plötzlich in die Höhe schoss, zuckte sie leicht zusammen. Doch dann umklammerte er nur mit jämmerlicher Miene seine verletzte Kehle. „Ich verspreche, dir zu helfen!“
    Melica nickte knapp, tat endlich einen Schritt zurück. Erst dann erlaubte sie sich, sich dem toten Gregor zu nähern. Wie er dort so saß, stolz und aufrecht, bekam Melica fast Zweifel daran, dass er tatsächlich gestorben war. Doch es gab nur wenige Lebewesen, die ohne Kopf überleben konnten. Dämonen würden niemals dazugehören. Sie warf einen letzten, kurzen Blick auf ihn, bevor sie sich vor den Schreibtisch stellte und auf den kleinen, versteckten Knopf drückte. „Stefan. Tizian. Jane. Liv. Jonathan. Jim. Bitte kommt in Gregors Büro. Ich warte auf euch.“ Ihr Finger zitterte schwach, als sie ihn vom Knopf löste. Melica schloss die Augen. Damian, Diana, Luzius und Gregor. Sie alle waren tot. Niemand würde ihr oder denen, die sie liebte, etwas antun können. Niemand. Die Erleichterung, die schwer und kräftig durch ihren Körper strömte,
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