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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht
Autoren: Michelle Guenter
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warmer Luft stob ihr entgegen. Sie trat ein.
    Schenkte der mit Sicherheit beeindruckenden Einrichtung keine Beachtung. Beschränkte sich darauf, den alten Mann, der dort hinter einem schweren Schreibtisch saß, aufmerksam zu mustern. Gregor sah anders aus, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Weniger mächtig, weniger gut. Stattdessen klein und dünn und mit einem gespenstischen Funkeln in den Augen. Es war Abneigung auf den ersten Blick. Obwohl es natürlich nicht der erste Blick war. Doch zumindest der erste, von dem sie wusste.
    „ Du kannst Luzius nicht noch einmal in die Hölle sperren!“ Gute Begrüßung. Sie hatte es einfach drauf.
    Gregor schien von ihrem rhetorischen Talent jedoch nicht einmal halb so sehr beeindruckt zu sein wie sie selbst. „Setzen Sie sich doch bitte.“
    Tizian hatte recht gehabt. Das inoffizielle Oberhaupt der Schattenkrieger schien tatsächlich viel zu viel Wert auf Höflichkeiten zu legen.
    Doch wenn ihre Eltern sie etwas gelehrt hatten, dann, sich zu benehmen. Ihre Erziehung griff von ganz allein. Melica nickte, setzte sich und blickte den Mann aufmerksam an.
    Dieser erwiderte ihren Blick nachdenklich. „Ich muss Ihnen danken“, sagte er schließlich. „Sie haben uns einen großen Dienst erwiesen, als Sie sich gegen Ihr eigenes und für das Leben aller Menschen entschieden haben.“
    „ Kein Problem“, erwiderte Melica ohne zu zögern. „Doch du darfst Luzius Seele trotzdem nicht an die Hölle koppeln! Das hat er nicht verdient!“
    Gregor verzog keine Miene. „Seit wann verdiene ich die Ehre, von dir geduzt zu werden?“
    „ Das ist doch überhaupt nicht wichtig!“, gab Melica ungläubig zurück. „Ehrlich, kannst oder willst du mich nicht verstehen?“
    „ Es mangelt nicht an Verstehen, sondern an Verständnis.“
    Vielleicht verstand der Mann nicht, doch Melica tat es dafür umso mehr. Verstand, dass Jane sie in ein falsches Zimmer geführt haben musste. Dieser alte Mann dort konnte nicht Gregor sein. Das war ausgeschlossen. „Wer bist du überhaupt?“, fragte Melica deshalb auch gleich.
    Sie erntete keinen Applaus. „Ich bin Gregor. Deine Erinnerungen sind immer noch nicht zurück?“
    „ Offensichtlich nicht“, antwortete Melica kühl. „Mama meint, dass Luzius sie wohl gelöscht haben muss.“ Sie würde nicht darauf wetten, doch für den Bruchteil einer Sekunde blitzte etwas in Gregors Augen auf, so etwas wie Freude, gemischt mit einer Portion Hinterlist. Vielleicht hatte sie sich geirrt, sich diesen Ausdruck der Verschlagenheit nur eingebildet. Vielleicht. Sie würde sich trotzdem vorsehen.
    „ Dennoch bist du davon überzeugt, dass ich Luzius Seele nicht an die Hölle ketten sollte“, sagte Gregor. „Das ist seltsam.“
    „ Dass er mir übel mitgespielt hat, ändert nichts daran, dass er nicht böse ist. Nicht einmal er hat es verdient, in der Hölle zu sein.“
    „ Er ist nicht böse?“, fragte Gregor und maßlose Ungläubigkeit schwang in seiner Stimme mit. „Nach welcher Definition ist er denn bitte nicht böse?“
    „ Luzius wollte mir nie schaden. Ich weiß nicht, ob es bekannt ist, doch Luzius konnte in die Zukunft sehen. Er hat es mir erzählt, gleich in den ersten Wochen. Er konnte alles sehen, wusste, was geschehen würde. Alles, was er getan hat, tat er nur, weil er in den letzten Stunden, die ihm blieben, glücklich sein wollte. Er ist so schwer enttäuscht worden... also finde ich nicht, dass man ihn dafür bestrafen sollte, ein wenig über die Strenge geschlagen zu sein.“
    „ Ein wenig über die Strenge geschlagen?“ Gregor hatte hörbar Spaß daran, alles, was sie sagte, zu wiederholen.
    „ Die Tatsache, dass er sich den Menschen offenbaren wollte, ist zugegebenermaßen schon ziemlich extrem gewesen, aber -“
    „ Du irrst dich“, unterbrach Gregor sie stumpf.
    Woraufhin Melicas Blick verständnislos wurde. „Was?“
    „ Luzius Plan, die Weltherrschaft zu übernehmen, zeugt von einer gewissen Raffinesse. Tatsächlich ist er in dieser Hinsicht ein wahrliches Genie gewesen“, sagte Gregor und seufzte leise. „Ich gebe es nicht gern zu, doch Dianas Vision ist die einzig Richtige gewesen. Wir Dämonen müssen uns den Menschen stellen. Wir sind mächtiger als sie. Wir haben uns schon viel zu lange in den Untergrund drängen lassen.“
    Offenbar befand sie sich doch im falschen Raum. Oder auch im falschen Film. „Ich... was willst du damit sagen?“
    Die Atmosphäre im Büro veränderte sich, lud sich statisch auf. Die Luft
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