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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht
Autoren: Michelle Guenter
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etwas Neues gelernt. Dank dir werde ich wenigstens gebildet sterben.“
    „ Weißt du, Melica, dein komischer Zynismus geht mir tierisch auf die Nerven.“
    „ Was nützt es dir auch, zufrieden zu sein? Sterben musst du sowieso.“
    „ Siehst du? Genau das meine ich! Du brauchst Diana gar nicht, um kaputtzugehen, nein! Du zerstörst dich ganz allein!“
    „ Meinst du, das hätte ich noch nicht selbst begriffen?“, entgegnete Melica, lächelte gequält. „Mein Zynismus ist meine einzige Rettung. Mehr ist mir doch nicht geblieben.“
    „ Dein Ansatz ist falsch. Du darfst deinen negativen Gefühlen nicht freien Lauf lassen! Du musst Herrin deiner Gefühle werden, sie unterdrücken, ausschalten, um endlich wieder leben zu können.“
    Es war mehr als einfacher Unglaube, der sich rücksichtslos auf Melicas Gesicht ausbreitete. Es war viel eher so etwas wie komplexer Unglaube. „Du erklärst mir, ich solle meine Gefühle ausschalten? Warum sollte ausgerechnet ich etwas so Wichtiges abstellen wollen? Ihr Schattenkrieger habt es doch auch nicht getan!“
    „ Wir anderen laufen ja auch nicht in dem Glauben herum, wir allein wären schuld an allem Übel dieser Welt.“
    „ Ihr anderen seid auch einfach nicht schuld.“
    Mit einem genervten Schnauben vergrub Yvonne das Gesicht in den Händen. „Ich verstehe gar nicht, warum ich so dumm bin, jedes Mal die gleiche sinnlose Unterhaltung mit dir zu beginnen!“, sagte sie dann zwischen ihren Fingern hindurch.
    „ Dann lass es doch einfach.“
    „ Das kann ich nicht!“, platzte es aus Yvonne hervor. Heftig riss sie die Hände von ihrem Gesicht, starrte Melica eindringlich an. „Verstehst du das denn nicht? Ich mache mir Sorgen um dich, verdammt! Das tun wir alle! Melica – so kann das doch nicht weitergehen! Seit Wochen verkriechst du dich schon hier, versteckst dich, ziehst dich völlig von uns zurück!“
    „ Man sollte dir einen Preis verleihen.“
    „ Man-“, begann Yvonne, bevor sie verständnislos abbrach. „Was?“
    „ Niemand ist so gut darin, Offensichtliches auszusprechen wie du. Darauf kannst du stolz sein.“
    Yvonne klappte doch tatsächlich der Mund auf. Ein Anblick, den Melica zutiefst unappetitlich fand und den sie sich gerne erspart hätte. Aber man konnte sich nicht alles aussuchen.
    Es dauerte einige Augenblicke, bis sich Yvonne wieder gefasst hatte. Dann jedoch sauste ihre Stimme wie ein gewaltiges Donnergrollen auf Melica herab, laut, furchterregend, alles und jeden verschlingend. „Hast du eigentlich komplett den Verstand verloren? Melica! Hör auf der Stelle auf, so zu reden! Du bist unerträglich! Mehr als unerträglich! Du bist... Mir fällt gerade kein Wort ein, das dich beschreiben könnte, aber lass dir versichern, dass es absolut böse wäre! Abgrundtief böse! Du würdest weinen, völlig am Boden zerstört sein! Und du würdest es verdienen! Denn so, wie du dich momentan benimmst, hast du hier nichts verloren! Du bist nichts als Gift für unsere Gemeinschaft!“
    „ Mir geht es halt nicht so gut“, protestierte Melica schwach. Yvonnes Wutausbruch hatte jede scharfe Erwiderung in ihr ausgelöscht. Sie hatte ja sogar recht!
    „ Dann ändere das doch endlich!“, entgegnete Yvonne und etwas Drängendes, Flehendes hatte sich in ihrer Stimme verkrochen und weigerte sich vehement, wieder herauszukriechen. „Melica, bitte! Denk doch einmal nach! Wenn jemand schuld an diesem ganzen Chaos ist, dann ist das Diana! Du hast damit nichts zu tun!“
    Ein Kloß setzte sich in Melicas Kehle fest. Sie schluckte schwer, einmal, zweimal, doch er ließ sich nicht vertreiben. „Mein Kopf weiß das“, flüsterte sie schließlich heiser. „Es ist mein Herz, das sich nicht überzeugen lässt.“
    „ Du bist ein Dämon, dein Herz ist tot! Warum hörst du noch immer darauf, was es dir sagt?“
    Ein Seufzen entrang sich Melicas Lippen, so tief, so voller aufrichtiger Verzweiflung, dass sie sogar selbst eine Gänsehaut bekam. Warum versuchte sie überhaupt noch, es Yvonne zu erklären? Die ehemalige Sarcone würde es doch ohnehin niemals verstehen. Nein, die Einzigen, die nachvollziehen könnten, warum sie sich so fühlte, waren Isak und Jim. Aber so wie es aussah, gelang es nicht einmal den beiden, sie zu verstehen. Isak verhielt sich so freundlich und ruhig wie immer und Jim...
    Melica schüttelte hart den Kopf. „Wo ist eigentlich Tizian?“, wechselte sie schnell das Thema. Nicht, dass sie sich in irgendeiner Form für die Antwort interessierte.
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