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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung
Autoren: Joy Fraser
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viel zu trocken um ihn zu formen.“
    „ Das habe ich bemerkt“, lachte Sandra, und rieb sich die narkotisierten Hände. „Er sieht so warm und weich aus, ich falle immer wieder auf seine Schönheit herein.“
    „ Hallo, Onkel John!“
    Sie drehte sich um und sah einen etwa zehnjährigen Jungen in überdimensionalen Schneestiefeln auf sie zu stampfen.
    „ Hallo, Billy“, erwiderte John. „Sandra, das ist Billy, der Junge, der euren Notruf gehört hat.”
    „ Hallo, Lady“, sagte er, und reichte ihr eine Handschuhhand.
    „ Hallo, Billy, schön unseren Retter kennenzulernen.“
    Der Junge wand sich beschämt und schaute ihr nicht direkt in die Augen.
    „ Äh, das war John. Er ist der Retter.“
    John rieb den Kopf des Jungen und zerwühlte sein dichtes schwarzes Haar.
    „ Mach dich nicht kleiner, als du bist. Du warst der Einzige weit und breit, der am Funkgerät saß. Bei diesem Wetter ist das sträflich genug. Es kann immer jemand in Schwierigkeiten kommen während eines Blizzards.“
    Billy zuckte unter seiner dicken, gelben Daunenjacke mit den Schultern.
    „ Mein Dad saß vor dem Fernseher und ich habe mich gelangweilt.“
    „ Bloß gut“, sagte Sandra. „Vielen Dank dafür.“
    Billys dunkles Gesicht errötete leicht.
    „ Nichts zu danken, Ma’am“, murmelte er.
    „ Was meinst du, ob Joe schon mit dem Frühstück machen fertig ist?“, fragte John ihn und nahm den Eimer mit dem Holz.
    „ Ich geh mal nachschauen“, rief Billy und rannte, so schnell es ihm möglich war, durch den tiefen Schnee zu Joes Haustür.
    „ Was für ein sympathisches Kind.“
    John nickte. „Sein Vater ist ein Säufer und seine Mutter ist vor Jahren aus dem Reservat abgehauen und ward nicht mehr gesehen.“
    „ Oh nein“, sagte Sandra betroffen. „Der Arme. Hat er noch mehr Familie hier?“
    „ Ja. Ein paar Cousins und eine liebe Tante. Keine Sorge, man kümmert sich gut um ihn.“
    Sie betraten das warme Haus. Sandra fiel auf, dass Joe nirgends Weihnachtsschmuck angebracht hatte. Sie erklärte es sich damit, dass der alte Mann für so etwas sicher keinen Sinn hatte. Oder aber, dass er zwar einen christlichen Namen hatte annehmen müssen, aber nicht deren Glaube und Feste. Ein paar der Häuser im Reservat waren von Lichterketten umrandet. Anscheinend gab es mehr Bekehrte als Traditionelle in diesem Reservat.
    „ Da seid ihr ja wieder“, sagte Connie.
    Sie war dabei, den Frühstückstisch zu decken. Sandra bot ihre Hilfe an und zusammen trugen sie Marmeladegläser, Toastbrot, Butter, Milch und Frühstücksflocken auf den Tisch. Billy stand am Herd und rührte in Joes Porridge, bis dieser aus dem großen Kühlschrank tauchte und den Jungen ablöste. Sandra konnte dem Brei nichts abgewinnen. Sie setzte sich an den Tisch und bediente sich am Toastbrot.
    „ Was denn, keine Eier und Speck heute?“, fragte John und suchte den Tisch danach ab.
    „ Dazu hatte ich keine Lust“, sagte Connie. „Außerdem ruiniert so etwas meine Diät.“
    John machte ein enttäuschtes Gesicht. Für ihn war ein kräftiges Frühstück wichtig, denn er ließ oft das Mittagessen aus und kochte dann abends erst wieder.
    Connie machte ihm ein Handzeichen und lehnte sich flüsternd zu ihm rüber.
    „ Joes Vorräte sind knapp.“
    Johns Augenbrauen hoben sich alarmiert. „Ich werde dafür sorgen, dass jemand für ihn einkaufen fährt“, antwortete er ebenso leise.
    Joe alberte mit dem Jungen herum und hatte davon nichts mitbekommen. Sie aßen wie in einer glücklichen Großfamilie. Jedes Mal, wenn John ihr die Butter oder etwas anderes reichte, berührte er Sandra zart und beschenkte sie mit einem tiefen Blick, der ihr Herzklopfen verursachte. War ihre Abreise eine heilsame Medizin für ihn gewesen? Auf jeden Fall aber war sie heilsam für sie selbst. Auf einmal erkannte sie, was wirklich wichtig war. Kommunikation. Sie musste stets die Kommunikation zwischen ihnen offen halten. Noch einmal würde sie diesen Fehler nicht machen. Einfach davon zu laufen und sich nicht seine Argumente bis zum Ende anzuhören, und zwar nachdem sein erster Ärger abgeklungen war. Sie hatte ihre Lektion gelernt und er anscheinend auch die seine. Endlich hatte er die berühmten drei Worte gesagt.
     
    Connies Wagen war kaum zu erkennen. John grub ihn regelrecht aus, während die Frauen in seinem warmen Pickup saßen. Er füllte einen Kanister Notfallbenzin aus seinem Wagen in den Ford. Dann stieg Connie um und John zog sie mit seinem Abschleppseil aus der Mulde.
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