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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung
Autoren: Joy Fraser
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nicht mehr bestand, durfte man sich unter keinen Umständen mehr nackt sehen?
    Sie stieg in die Wanne, noch immer eiskalt innen und außen. Das Wasser verbrühte ihre Haut, doch John hatte versprochen, es habe genau die richtige Temperatur, die ein unterkühlter Mensch brauche. Also biss sie die Zähen zusammen, jammerte leise und ließ sich vorsichtig ab, bis nur noch ihr Kopf herausschaute.
    Nach der ersten beißenden Hitze entspannte sie sich, schloss die Augen und war endlich wieder warm. Wärme. Süße, wohlige, sichere Wärme.
    Dieses Abenteuer hatte ihr keine solche Panik eingejagt wie damals die Bärengefahr. Sie lachte über ihre Wortwahl. Damals. War es wirklich erst ein paar Monate her? Dieses Jahr enthielt mehr Abenteuer als zehn ihrer gewöhnlichen Jahre.
    Sie hatte der bedrohlichen Kälte etwas entgegenzusetzen gehabt. Eine Wolldecke, ihre Kleidung, Connies Wärme neben sich und die Restwärme des Wagens. Den Bären gegenüber hatte sie sich nackt und vollkommen hilflos gefühlt. Erst als die Kälte auch ihre dicke Jacke erobert hatte, hatte sie begonnen sich Sorgen zu machen. Doch von Panik konnte sie nicht sprechen. Sie hatte darauf vertraut, dass John, ihr Retter, rechtzeitig angaloppiert, beziehungsweise gefahren kam.
    Natürlich war sie rein geschäftlich hier. Nicht etwa, um John zurückzubekommen. Das war ihm auch klar, deshalb benahm er sich so höflich distanziert. Bis auf den Kuss im Auto. Er war zärtlich und vorsichtig gewesen, als könne die zu Eis erstarrte Frau in seinen Händen wie Glas zersplittern, und drückte wohl nichts weiter aus, als seine Erleichterung darüber, dass sie noch lebte. Sie sollte sich nicht zu viel einbilden. Wahrscheinlich steckte nichts weiter dahinter. Sie hatte ihm zu sehr wehgetan, als dass er noch einmal etwas mit ihr anfangen wollte. Sie hatte ihn gedemütigt. Dieses Wort hatte sie, seit Connie es ausgesprochen hatte, nicht mehr verlassen. Sie hatte ihn fälschlich beschuldigt und gedemütigt. Verdammt!
     
    Als sie aus dem Wasser kam, schmerzten nur noch ihre Hände. Nun saßen alle an Joes Küchentisch versammelt und auf der Plastiktischdecke standen Schalen mit dampfendem Eintopf. Hungrig aß Sandra ihre Schüssel leer. Auch Joe war erfreut sie wiederzusehen und in Sandra kam das warme Gefühl auf, wieder zu Hause zu sein. Vielleicht sollte sie darüber nachdenken, einen Aufenthaltsantrag zu stellen und nach Kanada zu gehen, unabhängig davon, ob aus ihr und John ein Paar werden würde oder nicht.
    „ Ich hab euch alle furchtbar vermisst“, gestand sie. Ein Seitenblick auf John ergab, dass er noch immer freundlich, aber distanziert lächelte, bei ihren Worten jedoch seinen Löffel einer genaueren Betrachtung unterzog. Das Thema schien ihm unangenehm zu sein. Kein Wunder, dachte Sandra traurig.
    Connie hatte in einem anderen Haus gebadet und kaute nun an einem Stück Weißbrot, ihre lockigen Haare dunkel von Nässe. An ihrer Stuhllehne hing ein Handtuch, doch sie war zunächst mit Essen beschäftigt.
    „ Wir haben dich auch vermisst“, gab Joe zu.
    Auch er blickte auf John, der nun den Stil des Löffels mit einer Papierserviette blank polierte. Joe zwinkerte ihr zu und sein Ausdruck schickte ihr die Botschaft, John Zeit zu lassen. Zeit, wozu? Dachte er etwa, sie wolle John zu etwas überreden? Woher, zum Manitu, konnte der alte Mann wissen, was in ihr vorging?
    „ Leider bin ich rein geschäftlich hier“, gab sie bekannt, um Johns Reaktion zu prüfen. Er zuckte mit keiner Wimper und fuhr fort damit, den Löffel zu polieren. Verdammt. Es machte ihm nichts aus. Ihre Hoffnungen sanken.
    Niemand sagte etwas. Connie sah sie von unten heraus unergründlich an. Sicher verstand sie ihren Rückzug nicht.
    „ Nun, heute könnt ihr nicht mehr zurückfahren. Es ist dunkel, kalt und es schneit, als gäbe es kein Morgen“, sagte Joe. „Ich habe eine Couch frei und wir können uns Schlafsäcke zusammenborgen. Auf dem Fußboden schläft es sich auch nicht so schlecht.“
    Eine entspannte Unterhaltung entwickelte sich, während der Sandra auffiel, dass John sie hin und wieder studierte, als sei sie ein Wesen, das er nicht verstand.
     
    „ Gute Nacht, Sandra“, hauchte John in ihr Ohr.
    Joe war schlafen gegangen und Connie benutzte die Toilette in einem winzig kleinen Anbau neben dem Raum mit der Wanne. Sandra stand neben Johns Schlafsack, den er ihr auf einer Schaumstoffmatte im Wohnzimmer ausgebreitet hatte. Das Haus war kühl, das Feuer im Kamin fast
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