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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung
Autoren: Joy Fraser
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seine Emails abgerufen, um ja nichts zu verpassen. Und plötzlich war sie da. Vom deutschen Büro geschickt, um ihm die Hölle heiß zu machen, das musste es sein.
    Verdammt! Sicher war es nichts Persönliches. Verdammt, verdammt!
    Aber gerade eben hatte er von Joe erfahren, dass sie ihn gefragt hatte, was der Rabe spirituell bedeute. Warum sie das wohl wissen wollte? Offenbar hatte sie nicht ganz aufgehört sich mit ihm zu beschäftigen.
    Joe hatte ihn am Telefon erwischt und dazu überredet ins Reservat zu kommen. Er solle seinen Geist reinigen, in einer Sweat-Lodge, einer indianischen Art Sauna. Bevor er sich noch dem Suff hingab, was sowieso schon ein Problem bei seinen Verwandten war, willigte er ein. Die meditative Sitzung hatte sich beruhigend auf ihn ausgewirkt. Er hatte den Raben gesehen, und Sandra. Mit dem Gefühl, dass das Leben doch noch irgendeinen ihm unverständlichen Sinn haben könnte, war er wieder herausgekommen.
    Und nun hatte der große Manitu ihm Sandra zurückgebracht. Aber sicher war sie noch immer stocksauer. Diesmal würde er es schaffen, ihr zu erklären, was wirklich passiert war. Diesmal würde er sie nicht einfach wieder abreisen lassen. Ihm war klar geworden, dass er ohne sie überhaupt keinen Sinn in seinem Leben sah. Einsam, wie das weite, freie Land in Kanada, war seine Seele geworden ohne ihr Lachen. Einsam wie ein Wolf war er immer gewesen und hatte es genossen. Aber er hatte nicht gewusst, wie es war, sich jemandem so nahe zu fühlen. Nachdem ihm dieser Jemand genommen war, konnte er die Einsamkeit nicht mehr ertragen. Plötzlich war sie zu einer Bedrohung geworden und hatte seine Tage mit nichts als gähnender Leere erfüllt. Niemand wartete zu Hause und er wusste nicht mehr, wozu er dort noch hingehen sollte. Er verbrachte viel Zeit im Freien, auf dem See und in den Wäldern. Doch die Landschaft konnte ihm keinen Trost mehr geben. Ihm war, als wandele er durch sterile Postkartenabbildungen. Etwas fehlte. Der Funke fehlte, der das Leben entfacht und lebenswert macht. Das Leben mit jemandem zu teilen, der sich an denselben Dingen erfreut.
    Als er ihre Stimme gehört hatte, war nach dem ersten Adrenalinschub mehr Erleichterung durch ihn geflossen als damals, als er das Ergebnis seines AIDS-Testes entgegengenommen hatte. Eine etwas dubiose Beziehung hatte ihn dazu veranlasst und er war sicher gewesen, sich die verdammte Krankheit eingefangen zu haben. Doch diese Emotionswallung war nur ein kleiner Schluckauf gewesen, verglichen mit dem Gefühl, das jetzt seine Brust wärmte.
    John blinzelte ins Schneetreiben. Da vorn war etwas. Ein weißer Hirsch? Ein Moose? Nein, etwas Größeres, Breiteres. Es musste das eingeschneite Auto sein. Vorsichtig drehte er und parkte direkt dahinter. Er holte sich einen Handbesen aus dem Auto und machte sich daran, die hinteren Scheiben von Connies Geländewagen abzufegen. Dann angelte er die Taschenlampe von seinem Gürtel und leuchtete hinein. Das Licht wurde von der Scheibe reflektiert und er konnte nichts erkennen. Er fegte schnell und flüchtig über alle Scheiben und öffnete die Fahrertür. Niemand war zu sehen. Wo zum Teufel waren die Frauen? Hoffentlich hatten sie sich nicht zu Fuß auf den Weg gemacht. Der Motor des Wagens lief nicht mehr und John schaute sicherheitshalber auf den Rücksitz. Er entdeckte, dass die Sitze umgeklappt waren. Auf der dadurch entstandenen Ladefläche schliefen die Frauen, dicht aneinandergekuschelt, mit zwei dünnen Decken zugedeckt. Sein Atem war im Wageninnern klar zu sehen, der Motor musste schon eine ganze Weile aus sein. Verdammt! Sie sollten doch wach bleiben!
    „ Connie, Sandra, wacht auf!“
    Er rüttelte an Connies Schulter, bis sie sich bewegte. Sandras Atem konnte er sehen. Sie schlief friedlich, in der Jacke, die er ihr gekauft hatte. Gott sei Dank! Sie lebte! Schon wieder war sie in seinem Land in Lebensgefahr gekommen. Wie schaffte sie das nur immer? Oder besser, wie schaffte er das nur?
    Connie war weit weniger mollig angezogen. Wie oft hatte er sie schon gewarnt, wenn sie mit fast nichts bekleidet im Winter ins Büro kam. „Wir haben doch eine gute Heizung“, pflegte sie zu sagen. Aber es gab Stromausfälle, Autostaus, Unfälle wie diesen. Er hatte ihr immer prophezeit eines Tages einmal durch mangelhafte Kleidung in Schwierigkeiten zu kommen. Warum waren viele Leute nur so leichtsinnig?
    „ Was ist los?“, murmelte Sandra, als sie zu sich kam.
    Er öffnete die Beifahrertür und nahm ihr Gesicht
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