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Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Kein Kanadier ist auch keine Lösung

Titel: Kein Kanadier ist auch keine Lösung
Autoren: Joy Fraser
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der Wind warf die Tür hinter ihr zu. Weiße Wolken machten ihren hektischen Atem sichtbar. Sie hatte sich beim Schippen verausgabt.
    „ Alles in Ordnung?“, wollte Connie wissen.
    Sie konnte nur den Kopf schütteln. Nach einer kurzen Verschnaufpause fand sie die Kraft zum Sprechen.
    „ Ich habe kein Gefühl mehr in meinen Gliedmaßen, aber ich weiß, dass ich nasse Klumpen in meiner Strumpfhose habe. Mein Gesicht ist taub und ich wäre beinahe von einer fliegenden Monsterfußmatte geköpft worden. Lass jetzt bloß den Motor nicht ausgehen.“
    Connie nickte und wirkte schuldbewusst. Sie reichte ihr einen Thermobecher mit Kaffee, den sie obligatorisch immer bei sich hatte. Sandra kannte dieses Ritual von John. Wann immer er aus dem Haus ging, nie vergaß er den Kaffeebecher. Dankbar trank sie einen großen Schluck. Er wärmte ihren vom Eiswind zerkratzten Hals und ihre feuerroten Hände. Nicht einmal zu kribbeln angefangen hatten sie. Sie waren noch immer im Permafrostzustand. Aber das Innere des Wagens fühlte sich plötzlich an-genehm warm an. Dennoch beeilte sie sich die Wolldecke wieder über ihre Beine zu legen. Beine, die nur optisch vorhanden waren. Sie spürte zwar das Anspannen ihrer Muskeln tief innen, aber die äußeren Schichten waren komplett taub. Man hätte sie kneifen können und sie hätte nichts gespürt. Mit einer gefühllosen Hand klopfte sie den Schnee aus ihren Hosenbeinen, der klumpig zu Boden fiel und dort liegen blieb, ohne zu schmelzen.
    „ Und was machen wir jetzt?“, fragte sie Connie, während sie sich die Schuhe auszog, den Schnee herauspulte und sie sich wieder über die vor Kälte schmerzenden Zehen stülpte. Schmerz war gut, er bedeutete, die Zehen waren noch zu retten.
    „ Am besten versuchen wir Hilfe zu holen.“
    „ Du willst doch nicht etwa von hier bis zum Reservat laufen!“
    „ Nein. Obwohl es nicht mehr weit sein kann.“
    „ Nicht mehr weit in weißer Sprache oder in indianischer?“
    Connie lachte auf. „In weißer. Es sind vielleicht nur noch um die fünf Kilometer.“
    „ Also doch in indianischer.“
    Die Indianer hatten ihr eigenes Zeit- und Entfernungsverständnis. Später konnte durchaus nie bedeuten oder auch jetzt gleich sein. Und nicht mehr weit bedeutete meist mehrere Kilometer oder gar Tagesentfernungen.
    Connie grinste. „Können wir uns darauf einigen, dass ich in kanadischen Dimensionen spreche? Fünf Kilometer sind hier gar nichts.“
    „ Nur, wenn man besagte fünf Kilometer durch einen Blizzard laufen soll, bekleidet für einen gemütlichen Stadtbummel.“
    „ Das stimmt. Meine Füße sind auch taub, obwohl ich gar nicht im Schnee gestanden habe. Aber zurück zum Hilfe holen. Ich habe hier ein Funkgerät ...“
    Sie pflückte ein Handmikrofon vom Armaturenbrett, das Sandra nicht gesehen hatte. Ein Funkgerät! Gott schütze die Kanadier.
    „ Ich weiß nur nicht, ob es funktioniert.“
    Und gib ihnen modernere Technik .
    Sie drehte an der Frequenzeinstellung und zu hören war nur statisches Rauschen.
    „ Das Ding ist genauso alt wie der Wagen und ich habe es noch nie gebraucht. Fahre immer nur in der Stadt herum“, erklärte sie. „Außerdem habe ich ein Handy, aber das funktioniert hier draußen eh nicht, das brauche ich gar nicht zu probieren.“
    Sie drückte die Sprechtaste und fragte immerzu hinein, ob jemand sie hören könne. Dann gab sie auf und hängte das Mikrofon wieder an, ließ den Empfänger aber eingeschaltet. Ab und zu hörten sie ein Knacken, ein Rauschen und dann wieder Stille.
    Der Motor des Wagens lief noch und die Tankanzeige informierte über einen halben Tank. Der Schnee trieb leise vor sich hin und überzog den Wagen mit einer dicken Schicht, schneller als sie ihn hätten abfegen können.
    „ Wir werden hier total einschneien und Helfer werden ahnungslos an einem Ford-förmigen Schneehügel vorbeifahren“, sinnierte Sandra.
    „ Fox drei, fox drei, ist da draußen jemand? Out“, krächzte das Funkgerät.
    Die Stimme eines kleinen Jungen. Wahrscheinlich saß er zu Hause rum, schaute dem Schneetreiben zu und spielte mit dem Funkgerät, in der Hoffnung auf etwas Ablenkung von der Langweile. Connie schnappte sich das Funkgerät, als wäre es der letzte Kartoffelchip in der Packung.
    „ Hallo! Hallo? Wir sind zwei Frauen und sitzen in einem weißen Ford fest, fünf Kilometer vor dem Reservat am Fox Creek. Kannst du mich hören?“
    Ein Knistern, ein Rauschen, dann wieder die Stimme.
    „ Roger. Ja, ich höre dich. Ich
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