Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition)
Autoren: Mira Magén
Vom Netzwerk:
1
    Die Neumondnacht war dunkel, der Hof verschmolz mit dem Wäldchen zu einer dunklen Einheit. Die Hunde lagen in ihren Hütten und warteten auf den neuen Mond, sie bellten nicht und sie kamen auch nicht angelaufen, als sie hörten, dass an die Küchentür geklopft wurde, erst leise, dann hart und durchdringend.
    Ich hatte den Alten gebeten, eine Beleuchtung außen über der Küchentür anzubringen, die uns vom Wäldchen trennte, aber der Alte hatte es abgelehnt. »Hören Sie auf, mich zu bedrängen, er hat uns den Mond gegeben, damit er die Nacht regiert. Wenn es Ihnen nicht recht ist, brauchen Sie das Haus ja nicht zu mieten.«
    Und obwohl er keine Lampe anbrachte, mietete ich das Haus mit dem hinfälligen Zaun, das letzte in einer Reihe und die erste Anlaufstelle für Tiere und Menschen, wenn sie aus dem Wäldchen traten. Vier Monate wohnten der Junge und ich nun schon hier, und wir kannten die verschiedenen Geräusche, die die Stille unterbrachen, platzende Kiefernzapfen, schlüpfende Grillen, und auch mit den lauteren Geräuschen waren wir schon vertraut, doch ein solches Klopfen an der Küchentür hatten wir noch nicht gehört.
    Ich hatte Angst. Wer das Gute suchte, würde durch die Vordertür kommen, er würde nicht den Weg ums Haus und die feuchten Beete nehmen. Nur eine alte und morsche Holztür befand sich zwischen mir und demjenigen, der auf der anderen Seite schnaufte, und ich hatte noch nicht einmal ein Messer zum Fleischschneiden, nur ein Gemüsemesser lag in der Schublade, deren Quietschen meine Bewaffnung verraten würde. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Der Alte würde nicht hören, wenn ich das Fenster öffnen und zu seinem Haus hinüberschreien würde, sein Schnarchen und seine fest geschlossenen Rollläden schirmten ihn von der Welt und den anderen Bewohnern außerhalb der Rufweite ab, und wer weiß, wie der bedrohliche Fremde, der dort in der Dunkelheit vielleicht noch zwischen Böswilligkeit und Aufgeben schwankte, auf einen Schrei reagieren würde. Ich rührte mich nicht. Vielleicht würde er jetzt von der Armseligkeit der Tür auf die Armseligkeit der Beute schließen, sich die Sache überlegen und abziehen.
    Während ich noch dastand und über seine Pläne nachdachte, schlugen zwei Fäuste gegen die Tür, eine auf der rechten Seite, eine auf der linken, und ich wusste nicht, ob wir von einem Rowdy bedroht wurden oder von zweien. Mein Junge war dünn, wog weniger als zwanzig Kilo, ich hätte ihn leicht aus dem Bett heben, ihn zur Vordertür tragen und fliehen können, doch der nächste Angriff ließ den Türstock erzittern und scheuchte Generationen von Holzwürmern und Glühwürmchen auf, die sich darin niedergelassen hatten. Ich stand starr wie bei einer Röntgenaufnahme, reglos und ohne zu atmen, vor der Tür, die an Naivität und wackligen Angeln hing. Der Griff bewegte sich, ich streckte die Hand nach dem Riegel aus, wenn der Fremde eindrang, würde ich angreifen, damit er mich misshandelnwürde und nicht den Jungen, und weil mir nichts Vernünftiges übrig blieb, wandte ich mich an Gott und flehte ihn an, mich vor allem Übel und vor wilden Tieren zu schützen, und damit zog ich am Riegel und riss die Tür mit einer so heftigen Bewegung auf, dass die Dunkelheit hereinbrach und auf der Schwelle die Gestalt eines Menschen taumelte. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, es wurde von der Dunkelheit verschluckt.
    »Wasser«, röchelte er mit einer von Krankheit oder Zigaretten heiseren Stimme. Und ich, statt wegzulaufen, bewegte mich auf ihn zu, er sollte zuschlagen, damit ich es ihm zurückgeben konnte, damit Gott half. Er wich nicht zurück, er blieb in der Dunkelheit und ich im Licht, und zwischen uns gab es so gut wie keinen Abstand. Aus seinem Mund kam ein scharfer Geruch nach Alkohol, kein Wunder, dass er nach Wasser verlangte, der Alkohol hatte ihn ausgetrocknet und seine Körperflüssigkeit aufgesaugt. Die Erkenntnis, es mit einem Betrunkenen zu tun zu haben, war im ersten Moment beruhigend, im zweiten besorgniserregend. Er schwankte, er war erledigt, ich würde ihn überwältigen und die Polizei rufen können, den Notarzt, die Feuerwehr, irgendjemanden, der nachts Betrunkene auflas und ins Leben zurückbrachte. Doch andererseits zerstört Schnaps Vernunft und Gewissen, er könnte mir eine leere Flasche über den Kopf hauen oder mir die Hände, die vorhin an die Tür geklopft hatten, um den Hals legen. Ich machte einen Schritt zu viel und schob ihn mit dem Ellenbogen nach hinten,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher