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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition)
Autoren: Mira Magén
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sagte ich aus Erfahrung.
    »Misch ihn hier nicht hinein. Er ist dort, und ich bin hier. Mein Vater und seine Synagoge haben sich von ihm beherrschen lassen, für andere war nichts übrig. Wenn ich dort geblieben wäre, wäre ich heute mit einem Frommen verheiratet, hätte drei Kinder und einen dicken Bauch.« Sie trat gegen einen Pfosten der Schaukel, zog eine Zigarette aus der Tasche, steckte sie mit zitternden Fingern an und sagte: »Gott, na ja. Warum bin ich so schwermütig geworden? Gib ein bisschen Wein her, willst du etwas hören? Eines Tages kam ein älterer Mann in den Laden, mit Bauch und Glatze und so und einem Ring von hunderttausend Dollar an der Hand, ich schwöre es. Er sagte, du gefällst mir, und schenkte mir ein Parfüm von Christian Dior. Ich sagte, mich kauft man nicht mit Parfüm. Er fragte, sondern mit was? Ich sagte, mit Brillanten. Kein Problem, komm heute Abend ins ›Oceanus‹. Ich zog geile Klamotten an und ging hin. Er kam herausgeputzt an, stank nach Parfüm, legte eine kleine Schachtel auf den Tisch und sagte, mach auf. Ich fragte, wie viel Karat? Er sagte, achtundzwanzig. Ich öffnete die Schachtel nicht, ich stand auf, nahm meine Tasche und sagte, Schätzchen, es gibt einen, der bietet mir fünfunddreißig Karat. Nach ein paar Tagen kam er in den Laden, es waren gerade viele Kunden da, ich hob den Finger mit dem glitzernden Zirkon, den ich auf dem Markt gekauft hatte, und sagte, fünfundvierzig Karat.
    ›Hättest du wohl gern‹, sagte er zu mir vor allen Kunden, und ich sagte, Schätzchen, in unserer Schule gibt es keinen Menschenhandel. Wer mich sieht, denkt, dass ich eine bin, die man mit Leichtigkeit bekommen kann, aber so ist esnicht, na ja, sagen wir mal, außer in besonderen Fällen. Zum Beispiel hat mich dieser Gabriel, dem du die Wohnung vermietet hast, mit keinem Finger berührt. Einmal habe ich gesehen, wie er sehr traurig war, er hat mir so leidgetan, dass ich gesagt habe, gut, fass mich an, ich mache dir ein bisschen Spaß, und er hat gesagt, nein danke. Ich habe gesagt, kein Problem.«
    Sie goss sich Wein ein, trank und sagte: »Was soll ich dir sagen, als ich Rivka Schajnbach war, war mein Leben schwer, es hat Tonnen gewogen, und jetzt? Jetzt wiegt es wie ein Koffer mit acht Unterhosen und sechs dünnen Kleidern. Ein Vergnügen.« Sie brach in schallendes Gelächter aus, der Alkohol war ihr schon anzumerken. Ich schob die Flasche weg und sagte, ich wünschte, ich hätte auch ein Leben, das sechs Kleider wiegt.
    Von Zeit zu Zeit sitzt auch Amos, der Sohn des Alten, neben mir auf der Schaukel. Der Alte, der ein Geheimnis aus den Schuhen in seiner Schublade macht, lässt ihn nicht ins Haus. Sie wechseln ein paar Worte im Stehen, vom Fenster zum Hof und vom Hof zum Fenster, Amos hält ihm eine Tüte Äpfel hin, der Alte streckt die knochigen Hände aus, nimmt die Äpfel und verschwindet vom Fenster. Die Zeremonie ist zu Ende, und Amos betrachtet interessiert meine kleine Landwirtschaft, berät, schneidet, spannt Schnüre, dünnt aus. Der Junge und der Hund weichen ihm nicht von der Seite. Er isst mit uns zu Abend, und wenn der Junge eingeschlafen ist, geht er mit mir hinaus auf die Schaukel. Wenn er bei uns übernachtet, frühstückt er mit uns und erzählt Nadav von Emotion und den Hunden, und Nadav schaut ihn mit großen Augen an und vergisst, das Essen, das er im Mund hat, runterzuschlucken.
    Und obwohl seine Besuche bei uns und die Übernachtungen zunehmen, gibt es Abende, die ich nur mit dem Himmel teile, ich sitze auf der Schaukel und betrachte die Sterne, die zu Tausenden über dem Dorf leuchten. Stunden davor hatten sie über dem Himalaja geschienen und das Flackern einer Pupille aufgesogen, das letzte Aufflackern eines Lebens, und es mit ihrem Licht vereint. Und wenn es die Sterne tun, umso mehr tut es der Mond, dessen Licht ausgeliehen ist. Am Beginn des Monats, wenn sein Licht schmal und sauber ist, betrachte ich seinen Hof, scharre in seinem Licht, als könnte ich dort den Glanz eines Auges sehen, den Funken eines sterbenden Verstands.
    Letztendlich sind die Lichter, die Gott geschaffen hat, gut, er schuf sie mit Verstand, mit Klugheit und mit Vernunft.

Informationen zum Buch
    Eines Morgens, beim Frühstück, entschied Gideon, Urlaub vom Leben zu nehmen. Amia saß da und sah ihn an, und er entschuldigte sich nicht. »Ich bin 39«, sagte er, »und habe das Hirn eines Hundertjährigen, mit Tonnen von Überflüssigem.« Nadav, der kleine Sohn, sah dem Vater beim
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