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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition)
Autoren: Mira Magén
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ansehen des Knaben Sterben, damit Gott ein Déjà-vu-Erlebnis hat und die Gnade, die er Hagar erwiesen hat, wiederholen kann. Dass ein Engel, ein Hirsch, eine Taube, ein Rabe, egal was, ihn heil und gesund zu mir zurückbringt. Ich lief den Felsenweg entlang, der das Anwesen umgab, der Regen hörte auf, die nasse Natur war zu erregt, Eichen raschelten und ließen Tropfen auf die Erde fallen, Vögel zwitscherten übertrieben laut, tauchten in den Wadi und landeten, Hunde bellten in der Ferne, und in diesem dröhnenden Durcheinander waren auch dumpfe Menschenstimmen zu hören, ich lief in die Richtung und behielt recht.
    Der Wind wirbelte die Stimmen durcheinander, ich hörte ein Kind schreien und einen Hund bellen, und ich sah einen roten Lieferwagen, alt und schlammverschmiert, ich ging um ihn herum und blieb stehen. Dort waren sie. Der Hund tobte in Rufweite von ihnen und schnappte einen grünen Plastikreif, den sie ihm abwechselnd zuwarfen, der Abstand zwischen ihnen übertraf die Länge eines fünfjährigen Arms und befreite sie von der Notwendigkeit eines Gesprächs. Nadav und der Hund entdeckten mich, aber sie waren in ihr Spiel vertieft. Gideon stand mit dem Rücken zu mir, und alser mich bemerkte, drehte er sich nicht zu mir um, er fragte ruhig: »Warum hast du ihm das angetan?«
    »Was habe ich ihm angetan?«
    »Du hast ihn hierhergebracht. Du weißt, dass ich ihm nicht das geben kann, was er braucht.«
    »Dann gib dir eben Mühe«, zischte ich, streckte die Hand aus und drehte grob sein Gesicht zu mir. »Schau mich an, wenn du mit mir sprichst.«
    Er schwieg und reagierte nicht, als ginge es nicht um ihn. Etwas in mir zerriss, und mein Herz nahm keine Rücksicht, es zeigte sich, wie es war.
    »Ich will der ganzen Sache ein Ende machen, Gideon. Wenn du nichts für uns empfindest, dann lösen wir die Sache auf und lassen uns scheiden, oder du gehst zu einem Arzt.«
    Er biss sich auf die Lippe, bis ein kleiner Blutstropfen aus ihr trat, er hob die Hand zu seinem rasierten Kopf und sagte: »Ich brauche nicht mehr zu einem Arzt zu gehen. Ich war schon dort.«
    »Wirf doch, Papa, wirf!«, rief der Junge. Der Plastikring landete vor Gideons Füßen, der Hund stürzte auf seine Schuhe zu, packte den Ring mit den Zähnen, brachte den Jungen dazu, mit dem »Pack, renn, pack« weiterzumachen, und unser Gespräch bekam keinen Aufschub. Der Himmel unterstützte die Aktionen des Hundes und stoppte vorübergehend den Regen, die Vögel verstärkten ihren Lärm, die Bedingungen für ein Gespräch waren ideal, wir hatten keine Ausrede, uns davor zu drücken.
    »Was hat der Arzt gesagt?«
    »Dass ich zu den zwei Prozent gehöre, denen so etwas in jungen Jahren passiert.« Er schaute dem Jungen und dem Hund hinterher, mit unbewegtem Gesicht, und danndrehte er sich zu mir, und plötzlich wurde er redselig, ein Strom von Worten brach aus ihm heraus. Er sagte, seine Zeit als Ebenbild Gottes gehe zu Ende, sein Gehirn lösche sich selbst aus, eine Zelle nach der anderen, er habe diese Krankheit, die sonst nur alte Leute bekommen, der Name sei ihm entfallen, es habe harmlos angefangen, mitten in einem Plädoyer vor Gericht sei er blockiert gewesen und habe mit dem Plädoyer eines anderen Mandanten weitergemacht, man habe ihm Wasser gebracht, habe die Verhandlung unterbrochen, du erinnerst dich bestimmt, sie haben gesagt, das passiere jedem mal, es gibt niemanden, der nicht mal einen Aussetzer gehabt hat. Doch dann nahm sein Interesse an seinem Beruf von Tag zu Tag ab, es fiel ihm immer schwerer, sich zu konzentrieren, er dachte, sein Kopf sei übervoll, und beschloss, die Robe zusammenzulegen und nach Eilat zu ziehen, nach einer Bedeutung zu suchen und dieser ganze Bullshit, du hast diesen Mist doch auch geglaubt, stimmt’s? Wir haben beide gedacht, ich hätte zu viel im Kopf, dabei ist er eigentlich immer leerer geworden. In Eilat passierten ihm alle möglichen Dinge, er drückte auf die Fernbedienung des Fernsehers, um eine Tür aufzumachen, er wollte zu seinen Eltern fahren und hatte vergessen, wo sie wohnten, er ging in einen Laden und wusste nicht mehr, warum, und da verstand er endgültig, dass es Zeit war, zu einem Arzt zu gehen. Man stellte alle möglichen Untersuchungen mit ihm an, und dann sagte man ihm, dass er zu den zwei Prozent gehöre, die es als junge Menschen bekamen, es würde rapide fortschreiten, es würde nur noch zwei, drei Monate dauern, bis er alles vergessen habe. In dem Moment, als er es wusste, als die
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