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Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder
Autoren: Andreas Föhr
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    1 . Kapitel
    E s war heiß im Wagen. Die Heizung lief auf Maximum. Vor dem Wagen lag ein Stück verschneite Straße im Scheinwerferlicht. Links und rechts der Fahrbahn Wände aus Schnee, glitzernd, mit Eiskristallen darauf. Hinter den Schneewänden – schwächer angeleuchtet – Fichten, deren Äste sich unter der weißen Last bogen. Es war kalt draußen. Minus achtzehn Grad. Polizeiobermeister Leonhard Kreuthner gähnte und fingerte eine Zigarette aus einer zwei Tage alten Schachtel auf der Mittelkonsole des Wagens. Beim Anzünden der Zigarette musste er sich einen Moment auf die Feuerzeugflamme konzentrieren. In diesem Augenblick stieß der Wagen mit etwas auf der Straße zusammen. Der dumpfe Aufprall brachte Kreuthner zu Bewusstsein, dass er ziemlich erschöpft war. Im Rückspiegel sah er einen großen Eisbrocken auf der vom Rücklicht rötlich gefärbten Piste entlangkullern. Er nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette, schüttelte sich wach und blickte wieder nach vorne.
     
    Kreuthner hatte eine anstrengende Nacht hinter sich. Seit neun Uhr war er im Mautner gesessen und hatte mit Freunden Bier getrunken. Es war ein kurzweiliger Abend gewesen. Sie hatten über den Ausflug nach Südtirol im Oktober vor drei Jahren geredet. Kurz nach zehn war ein Streit darüber entbrannt, ob der Wiebek Toni, der damals noch dabei war, sich seinen legendären Rausch entgegen seiner sonstigen Art mit dem Lagreiner beigebracht hatte oder ob er nicht auch beim Törggelen dem Bier treu geblieben war. Der Sennleitner behauptete, der Wiebek könne sich mit Bier gar nicht so zusaufen, wie damals geschehen. Das sei bei dem biologisch unmöglich. Doch Kreuthner konterte mit dem Argument, der Wiebek sei ein Mann von Prinzipien. Der habe seit seinem elften Lebensjahr keine andere Flüssigkeit als Bier zu sich genommen. Ein Anruf beim Wiebek hätte Klarheit gebracht. Aber der Wiebek hatte vor einem Jahr geheiratet und ging jetzt jeden Abend um zehn ins Bett, weil die Kleine ab fünf wach war und er dann aufstehen musste. Bloße Rücksichtnahme hätte Kreuthner und seine Kumpane nicht davon abgehalten, beim Wiebek anzurufen. Aber es war bekannt, dass die Wiebeks die Angewohnheit hatten, abends um acht den Telefonstecker aus der Dose zu ziehen. Angeblich wegen der Kleinen. Wahrscheinlich wollten sie einfach ihre Ruhe haben. Ja – so kann ein Mensch vor die Hunde gehen, musste sich Kreuthner denken. Vor drei Jahren noch Jahrhunderträusche, jetzt um zehn ins Bett.
     
    Gegen vier war das Thema Wiebek immer noch nicht geklärt. Aber die drei Freunde wurden von der Bedienung gebeten, ihre Ärsche an die frische Luft zu bewegen. Und so stand Kreuthner auf dem Parkplatz des Mautner neben seinem vereisten Wagen und befand, er habe eindeutig zu viel getrunken, um ins Bett zu gehen. Da könne es nicht schaden, zum Ausnüchtern ein bisschen in der Gegend herumzufahren. Zwischen Tegernsee und Schliersee überkam ihn ein nützlicher Gedanke. In zwei Wochen würde das jährliche Eisstockschießen der Oberlandpolizisten stattfinden. Kreuthner saß im Organisationskomitee, denn dieses Jahr waren die Miesbacher mit der Veranstaltung dran. Als Austragungsort hatte man den Spitzingsee gewählt. Das war ein kleiner See hoch oben in den Bergen gelegen, auf über tausend Metern, und damit eissicher. Der Tegernsee war schon seit Jahren nicht mehr zugefroren. Und selbst bei dem kleineren und nicht so tiefen Schliersee war das eher Glückssache. Der Spitzingsee hingegen war eine Bank. Zwischen Tegernsee und Schliersee kam Kreuthner also der Gedanke, eine Ortsbesichtigung durchzuführen.
     
    Als sich Kreuthner dem Spitzingsee näherte, begann sich der Himmel im Osten schon blass zu färben. Er stellte den Wagen auf einem geräumten Parkplatz ab, der tagsüber von Skitouristen benutzt wurde. Als Kreuthner ausstieg, schnitt ihm die Morgenluft fast den Atem ab, so kalt war es da draußen. Er setzte sich eine Mütze auf, zog Handschuhe an und holte eine Schaufel vom Rücksitz seines Wagens. Im Winter hatte er immer eine Schaufel dabei. Die konnte vielfach von Nutzen sein. Sei es beim Ausschaufeln verschneiter Autos oder auch beim Bau einer Schneebar. Oft war er schon verlacht worden wegen seiner Schaufel. Aber das war ihm egal. Wer zu dumm war, den Sinn einer Schaufel zu erkennen, der sollte halt lachen.
     
    Mit trotzigen Gedanken im Kopf und der Schaufel in der Hand stapfte Kreuthner durch knirschenden Schnee zum Seeufer hinab. Sein Atem kondensierte und
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