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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven
Autoren: Heyne
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Größe des Menschen, den man danebenstellt, können sie brust-, schulter-, kopfhoch sein. Dann baut man einen Keller um diese Tanks herum. Und weil man weiß, dass man mit diesem Keller sonst nichts wird anfangen können als eben die Öltanks drin aufzubewahren, baut man den Keller möglichst knapp um die Tanks herum. Den Zugang dichtet man mit einer hüfthohen Mauer ab, und damit hat man dann eine Art Notfallbecken in der exakten Größe einer Tankfüllung. Das ist so knapp bemessen, dass die Tanks gar nicht durch diesen Zugang passen, die lässt man erst später liefern, befördert sie mit einem Kran von oben in das Becken, und erst danach setzt man die Betondecke drüber. Anschließend hat man einen schummrigen Keller mit den Tanks, und zwischen Tanks und Wand sind vielleicht 30 oder 25 Zentimeter Platz. Das ist nicht viel, aber das ist einem herzlich wurscht, weil in diesen Keller sowieso niemand hineingehen will.
    Wenigstens sollte man das meinen.
    Der Vater allerdings hatte sich exakt diesen Keller für seinen Tod ausgesucht.
    Er ist erst über die kleine türbreite, hüfthohe Mauer gestiegen. Dann hatte er sich nach links zwischen dem Tank und der Wand in die linke vordere Ecke gequetscht, wo man ihn schon kaum noch sehen konnte. Und danach quetschte er sich zwischen Tanks und Wand weiter in die linke hintere Ecke, wo man ihn überhaupt nicht mehr sehen konnte. Ab hier wird es rein technisch schwierig. Eigentlich kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen, wie er sich da hinten hat umbringen können. Aber vorher konnte er es nicht getan haben. Die hellen Kunststofftanks waren bis zur ersten Ecke ohne Blutspuren. Dann, nach dem Abbiegen, war auch der vordere Tank noch unverschmiert. Erst der hintere wies deutliche Blutspuren auf. Da hinten war es aber so eng, dass sich der Mann kaum hatte bewegen können.
    Zum Beispiel um seine Pulsadern zu öffnen – unmöglich. Dazu muss man den einen Arm etwas ausstrecken, den anderen wenigstens ein bisschen querstellen, um mit der Klinge hinüberzukommen, dazu fehlte einfach der Platz. Letztlich hatte er sich mehrfach in die Brust und in den Herzraum gestochen, aber auch das muss eine unglaubliche Tortur gewesen sein. Um das nur halbwegs schnell zu machen, muss man Schwung holen, und sogar dann ist es noch immer verdammt schwer. Er aber stand eingekeilt wie Pendler im Bus zur Rushhour, da konnte er wohl nicht viel mehr machen, als das Messer anzusetzen und es mühsam in sich hineinzubohren. Das Rausziehen – genauso kompliziert, und dann wieder reinstechen. Und wenn man sich das vorstellt, kommt man einfach nicht umhin, zu denken: » Wie geht das? Das tut doch von Beginn an furchtbar weh, wie kann man denn dann mit so was weitermachen? «
    Letzten Endes hat er es auf jeden Fall so weit geschafft, dass er zusammenbrach, so schnell zu Boden rutschte, wie ihn die Enge runterrutschen ließ. In dieser Haltung haben sie ihn dann gefunden, gründlich ausgeblutet. Der hellgraue Boden war komplett dunkelschwarzrot, lückenlos, soweit wir es sehen konnten. Denn unter die Tanks konnten wir nicht krabbeln, und das war das Hauptproblem.
    Schon klar: Unter die Tanks hatte seit ihrem Einbau niemand mehr gesehen, und es würde auch künftig niemand druntersehen – im Prinzip sind solche Tanks ohnehin für die Ewigkeit eingebaut oder wenigstens bis zum Abriss. Aber die Optik war hier zweitrangig: Wenn unter den Tanks die Leichenflüssigkeit und das Blut zurückblieben, würde auch der Gestank zurückbleiben. Und der einzige Weg bestünde dann darin, den Ölkeller umgekehrt zu öffnen, als er entstanden war: oben die ganze Betondecke abmontieren (Kraneinsatz), dann die Tanks entfernen (auch Kraneinsatz) und den Boden drunter säubern. Das, überschlug ich mal im Kopf, wäre vermutlich die teuerste Leichenfundortreinigung aller Zeiten. Auf diesen Ruhm konnte ich ganz gut verzichten.
    Dann fiel mir ein: Die Oma hatte die Leichenflüssigkeit auf der anderen Seite der Tanks entdeckt. Mit etwas Glück konnten wir das Blut ja unter den Tanks hindurchschwemmen. Das war unser Plan. Der einzige. Und entsprechend bestückten wir den Wagen, Helga und ich. Wir packten den E-Sauger ein und den nagelneuen Hochdruckreiniger. Und dazu einen Halogenstrahler, damit wir überhaupt sahen, was wir taten: Denn in dem Keller war nur eine trübe Kellerleuchte, gerade genug, um die Armaturen abzulesen.
    Weil es ziemlich nass werden würde, zogen wir die gelben wasserdichten Overalls und die Gummistiefel an.
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