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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven
Autoren: Heyne
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Belastung für die Beamten gering gehalten wird und derjenige, der die Leiche untersucht, mit größtmöglicher Sachlichkeit vorgehen kann. Dr. Müller-Cyran hat dann vorgeschlagen, ob wir das so nicht auch bei uns umsetzen könnten: Einer hat nur Telefondienst, und vor Ort ist dann eine ganz andere Truppe im Einsatz.
    Aber das geht bei uns nicht: Wir sind erstens kein 300-Mann-Betrieb. Und zweitens kann ich nicht vor Ort dauernd den Angehörigen sagen: » Reden Sie nicht mit mir, bei allen Fragen rufen Sie bitte meine Frau an, und die sagt’s mir dann …« Da halten mich die Angehörigen ja für bekloppt. Und abgesehen davon glaube ich, dass das Abarbeiten des ganzen Falles für mich nicht unwichtig ist: So kann ich ihn nämlich auch als Ganzes abschließen.
    Allerdings hat mich Andreas Müller-Cyran auch beruhigen können: Es fehlen ihm bislang bei uns noch richtige Alarmsignale. Wir schlafen nicht schlecht, wir versinken nicht in reglosem Grübeln, wir reden noch alle miteinander über unsere Arbeit, wir erzählen uns, was uns belastet, was uns freut. Das scheint kein Zufall zu sein, weil wir bei aller Härte in unserer Arbeit auch einen Sinn sehen. Und dieser Sinn, das betont Dr. Müller-Cyran, ist auch, dass man gut bezahlt wird.
    So hatte ich das bislang noch nicht betrachtet.
    Sicher, es ist ein ekliger Job, und da ist es auch in Ordnung, wenn man dabei ordentliches Geld verdient. Ich habe das bisher immer vor allem als fair betrachtet, nicht mehr. Aber der Doc sagt, dass die Bezahlung eine weitere Funktion erfüllt – sie gibt unserer Arbeit zusätzlichen Sinn. Eine weitere Begründung, die man dem mentalen Buchhalter entgegenhalten kann, wenn er wieder meint, das sei doch sinnlos. Es ist nicht sinnlos, weil ich mir hinterher was Schönes kaufen kann.
    » Ist das nicht furchtbar egoistisch?«, habe ich Herrn Müller-Cyran gefragt.
    » Nö«, hat er geantwortet, » das hält einen geistig gesund.« Und dann hat er von den Soldaten im Auslandseinsatz erzählt.
    Man kennt sie aus dem Kino, aus dem Fernsehen, diese Geschichten von den traumatisierten Soldaten. Ich dachte, das sei bei Kriegen immer so, und das stimmt auch, aber Dr. Müller-Cyran sagt, dass die Zahl der Traumatisierten in dem Moment deutlich ansteigt, in dem die Soldaten nicht mehr wissen, wofür sie all das machen. Deshalb sei es auch so wichtig, dass man ihnen einen guten Kriegsgrund anbietet, sagen wir: Saddam Hussein hat Massenvernichtungswaffen. Und deswegen sei es dann so fatal, wenn diese Massenvernichtungswaffen plötzlich nie da waren. Man kann besser mit dem Gedanken leben, Furchtbares erlebt und manchmal auch angerichtet zu haben, wenn man weiß, dass man damit viel größere Opferzahlen woanders verhindert hat – aber was soll man sich sagen, wenn diese Gefahr in Wahrheit nie bestanden hat?
    Die Soldaten in Vietnam haben irgendwann gemerkt, dass der Krieg aussichtslos war. Oder unsere Bundeswehr in Afghanistan: Dort stellen die Soldaten fest, dass sie viel mehr Leute sein müssten, die auch noch viel länger in diesem Land bleiben müssten – dass sie aber tatsächlich nur eine Handvoll Männer und Frauen sind – und wenn sie demnächst wieder heimfahren, dann ist in dieser maroden Region alles wieder wie vorher, wenn nicht sogar schlimmer. Und dafür begeben sie sich täglich in Lebensgefahr. Da darf man durchaus traumatisiert sein.
    Es ist wichtig, dass man Gründe hat, weswegen man etwas tut, sagt Dr. Müller-Cyran. Und Geld ist – unter anderen – ein guter Grund. Auf unsere regelmäßigen Teamsitzungen mit dem Doc werden wir wohl trotzdem nicht verzichten.
    Sicherheitshalber.

30 . Eingeölt
    Manchmal bastelt man sich so seine ideale Tatortreinigerwohnung zusammen – beim Schrubben. Da hat man ja Zeit. Man schrubbt und schrubbt und erinnert sich an seine positiven Erfahrungen mit Leichenwohnungen. Zum Beispiel mit Rigipswänden, wie sie bei Dachausbauten häufig verwendet werden. Ich habe an anderer Stelle schon man bequengelt, dass die schwer zu streichen sind, das mag sein, aber dafür sind sie leicht zu ersetzen: Man kann die mit Leichenflüssigkeit oder Blut verunreinigten Abschnitte einfach heraussägen, man kann aber notfalls auch den betreffenden kompletten Abschnitt aus seinen Metallhalterungen entfernen, einen neuen einsetzen, fertig. Kein Vergleich mit einer Beton- oder Ziegelwand.
    Was Fenster angeht, würde ich aus meiner Leichengeruchsperspektive zu Aluminiumrahmen raten, übrigens auch zu Stahlrahmen in der
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