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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven
Autoren: Heyne
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verstopft, und vier Wochen lang läuft das Wasser weiter und über den Wannenrand. Der Leichengeruch wird durch das Wasser etwas verdünnt, aber längst nicht genug, und das Wasser dringt in den Boden ein. Die Wände saugen sich voll, die Wohnung darunter beginnt zu stinken, dann ein Ladengeschäft im Erdgeschoss. Eine Leiche breitet sich über drei Etagen aus – das war ein Problem, das ich gerne geknackt hätte. Und dafür hätte sich auch die Anreise aus München gelohnt, ich hatte sogar schon das Hotel gebucht. Aber dann gab es Erbstreitigkeiten, und es stand nicht mehr fest, wer die Rechnung zahlt. Der Auftrag platzte in letzter Minute. Ich wurde noch gefragt, ob ich nicht wenigstens ein paar Soforthilfemaßnahmen einleiten könnte, aber für Soforthilfe gegen die schlimmsten Schäden und die Feuchtigkeit gibt es natürlich auch kompetente Firmen in Köln.
    Interessanterweise erhielt ich sogar mal einen Anruf aus Chicago. Da hätte ich ebenfalls zugesagt, allein schon deshalb, weil die dort andere Wände, andere Böden, andere Baumaßnahmen haben – das wäre praktisch so etwas wie Fortbildung gewesen. Aber erstens kann ich meine Materialien ja niemals in die USA einführen, zweitens weiß ich nicht, welches Equipment man in den USA kriegt, und drittens konnte ich dem Anfrager nach einer kleinen Recherche im Internet eine Firma empfehlen, die für mich auf Anhieb vertrauenswürdig klang: Das sind nämlich offenbar lauter Feuerwehrleute – genau wie wir.
    Aber genau das ist es, weshalb ich meinen Job mache: Ich möchte die interessanten Fälle bekommen. Die kniffligen, bei denen andere das Handtuch werfen – ja, ich sehe diesen Beruf auch irgendwie sportlich. Und dabei hilft es, wenn möglichst viele Menschen wissen, dass es diesen Job überhaupt gibt.
    Darum schreibe ich darüber. Und wenn Sie Verwendung für uns haben – rufen Sie an!

2 . Doppelrahmstufe
    Eigentlich war sofort klar, dass die Angelegenheit länger dauern würde: » Erstmaßnahmen« sollten wir durchführen, nur » Erstmaßnahmen«. Das bedeutet: die Wohnung reinigen, die Möbel wegschaffen, die Insekten entfernen, den Geruch oberflächlich bekämpfen. Die Schwester und der Bruder des Toten hatten sich dafür entschieden, ich hatte eindringlich darauf hingewiesen, dass das vermutlich nicht genügen würde. Ach was, vermutlich: Wenn man sich die Umstände ansah, war es vollkommen ausgeschlossen, dass die Sache damit erledigt sein würde.
    Der Mittvierziger war in seinem Wohnzimmer gestorben, aber das war nicht das Problem. Das Problem war das Haus: Er hatte sich ein Doppelhaus gebaut, am Rande eines bayerischen Dorfes und in der Mitte von Nichts. Und bei diesem Hausbau hatte er sich komplett übernommen. Schulden, Hypotheken, nichts half, also hatte er erst eine Hälfte des Hauses fertig gebaut, die schönere, die ihm besser gefallen hatte, und dann hatte er diese Hälfte verkauft, um Geld für die andere Hälfte zu haben. Irgendetwas an diesem Plan war schiefgegangen, vielleicht verstand er auch nichts vom Häuserverkaufen, das kann ja manchmal schwieriger sein als das Bauen selbst. Jedenfalls stellte er die andere Hälfte des Hauses nur noch notdürftig fertig, nämlich das Erdgeschoss, so halbwegs, und dabei blieb es dann. Das war vor etwa 20 Jahren gewesen, seither hatte der Mann in einer Art halbfertigem Rohbau gelebt. Das war der erste Teil des Problems: Je weniger verputzt und verarbeitet ein Mauerwerk ist, je billiger das verwendete Material ist, desto saugfähiger ist es auch, wenn die Leichenflüssigkeit kommt. Und Leichenflüssigkeit hatte es mehr als genug gegeben.
    Der Mann hatte 180 Kilo gewogen.
    Er war im Hochsommer gestorben, auf dem Sofa sitzend oder halb sitzend, gefunden hatte man seine Leiche direkt vor dem Sofa, vielleicht war er ja auch aufgestanden, weil ihm übel war, und dann zusammengeklappt. Besonders sicher konnte er ohnehin nicht gestanden haben, neben dem Sofa lehnte eine Beinprothese. Seine Beinprothese. Das sah seltsam aus, dabei ist es, wenn man mal drüber nachdenkt, nur normal: So was nimmt der Bestatter natürlich nicht mit. Logisch. Aber überrascht ist man dann doch.
    Dort, vor dem Sofa, hatte er nun gelegen, 14 Tage lang, im Hochsommer. 180 Kilo Körpergewicht ergeben, wenn man mal von 70 Prozent Wasseranteil im Körper ausgeht, 126 Liter Körperflüssigkeit zu Lebzeiten. Und 126 Liter Leichenflüssigkeit hinterher. Wenn man diese Menge 14 Tage auf höchstens zwei Quadratmeter eines 20 Jahre alten
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