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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven
Autoren: Heyne
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lassen, das einen rechtzeitig warnt. Oder so schwierige Dinge zu tun wie, sagen wir, täglich die Küche zu putzen. Eine Schabenplage bedeutet schlicht: Der Wirt hat seinen Laden nicht im Griff.Und wenn der Wirt nicht ganz jung und ganz dumm ist, heißt das auch, dass er seinen Laden in einem Jahr immer noch nicht im Griff haben wird. Und trotzdem nehme ich den Job an. Meine Aufgabe ist es nicht, die Leute zu erziehen. Ich bin in dem Fall Schädlingsbekämpfer, und alles was sonst passiert, ist, dass ich da halt nicht mehr essen gehe. Ich suche ja nicht immer einen tieferen Sinn in meiner Arbeit. Nur einmal hab’ ich mich doch geärgert. Und wenn ich heute dran denke, geht mir immer noch der Hut hoch. Aber vielleicht liegt’s ja auch nur an Altötting, und daran, dass man von Altötting unwillkürlich ein bisschen mehr erwartet.
    Altötting ist ein Wallfahrtsort, von München etwa eine Stunde entfernt, es ist wohl der Wallfahrtsort schlechthin in Bayern, wenn nicht in Deutschland. 1489 soll ein wundertätiges Bild dort einen kleinen ertrunkenen Buben wieder zum Leben erweckt haben, seither pilgern die Menschen in Millionen zu der kleinen Kapelle. Die Gänge rund um die Gnadenkapelle sind bis zur Decke voller Votivtafeln, das sind diese kleinen Bildchen, mit denen sich die Menschen bedanken, wenn ihnen Maria wieder mal geholfen hat. Und wenn man abends in einem der Lokale am großen Platz rund um diese Kapelle essen geht, dann kann es passieren, dass plötzlich Hunderte Menschen auf den Platz strömen, » Ave Maria« singen, mit Laternen, mit Kerzen, und dass diese Menschen dann dreimal um die Kirche herumziehen, sodass man ganz automatisch denkt: Das ist ja nun wirklich mal eine ganze Stadt voller guter Menschen. Was gut passte, denn wir waren ja auch wegen eines besonders guten Menschen gerufen worden.
    Eine 54-jährige Dame hatte sich in letzter Zeit etwas zu sehr um Kaninchen gekümmert. Verbotenerweise, jedenfalls in ihrem Fall. Es ist zwar nicht verboten, Kaninchen zu halten, aber die Dame war ein Sozialfall, und wenn einem die Wohnung vom Staat bezahlt wird und man – wie diese Dame – bereits einmal eine Wohnung mit vielen, vielen Kaninchen verwüstet hat, kann einem das Amt ein Tierhalteverbot zur Auflage machen. Dieses Verbot hatte sie missachtet. Das Sozialamt hatte uns aber nicht deswegen gerufen, sondern weil die 54-Jährige ins Krankenhaus gekommen war. Wir sollten während ihres Klinikaufenthalts die Wohnung herrichten, damit sie möglichst rasch wieder einziehen konnte.
    Ein bisschen merkwürdig kam mir die Sache gleich vor. Der Fachbegriff heißt » Animal Hoarding«, zu Deutsch » Tierhortung«, und das ist eine Form der Suchterkrankung. Wenn also jemand bereits einmal wegen so was aufgefallen ist, muss man ihm eigentlich auf die Finger sehen, vor allem, wenn man ihm eine Wohnung bezahlt. Und wenn man solchen Menschen regelmäßig auf die Finger sieht, kann es eigentlich nicht passieren, dass jemand wie ich nötig wird. Aber bitte: Vielleicht war ich ja auch nur übermisstrauisch, vielleicht waren die beim Amt besonders pingelig mit ihren Wohnungen, und vielleicht war deren Zustand gar nicht so schlimm.
    Wir kamen zu dritt dort an, Hardy, Klaus und ich. Das Haus befand sich im Stadtzentrum, neben einem Friedhof und einer Kirche, in Sichtweite einer weiteren Kirche, keine drei Minuten zu Fuß von der berühmten Gnadenkapelle entfernt – man hätte annehmen sollen, dass für geistlichen Beistand und christliche Nächstenliebe gesorgt war. Aber sobald man den kleinen Vorraum der Wohnung durchquert hatte, fand man nur noch Zimmer, die von allen guten Geistern verlassen waren.
    Es roch muffig, wie in einem schlecht gelüfteten Hasenstall, aber das war ja zu erwarten gewesen. Der Grundriss der Wohnung war ein dunkler, lang gezogener Schlauch. Das Licht fiel nur durch ein Fenster an der Schmalseite und eine merkwürdige waagerechte Fensterkonstruktion in der flachen Decke. Die Wohnung bestand im Grunde aus zwei langen, rechtwinkligen, fast gleich großen Zimmern hintereinander. Im zweiten, hinteren Raum zweigte seitlich ein Badezimmer ab, in der Längsrichtung konnte man noch in einen dahinter liegenden Lagerraum gehen – wenn man sich zum Gehen überwinden konnte. Schon der erste Schritt fühlte sich merkwürdig an. Leicht klebrig, wie in einem Kino, in dem zu viel Popcorn auf dem Boden liegt. Und so, als ginge man gar nicht auf dem Boden selbst, sondern auf einem irgendwie gedämmten Boden. Leicht,
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