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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven
Autoren: Heyne
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1 . Der gleiche Tod mit anderen Leichen
    Warum noch ein Buch?
    Man kann natürlich sagen: Weil’s so viel Neues gibt. Und das stimmt ja auch. Tatsächlich habe ich mich inzwischen weiter spezialisieren können, ganz einfach, weil ich seit dem letzten Buch mehr Aufträge bekam und seither die Arbeit als Schädlingsbekämpfer deutlich zurückgefahren habe. Und weil man erst mit der Menge der Fälle auf spezielle Probleme stößt: zum Beispiel auf die Sache mit dem Polizeisiegel.
    Tatsächlich heißen Polizeisiegel nicht Polizeisiegel, sondern amtlich » Polizeiliches Verschluss-Siegel«. Das Siegel ist ein Klebestreifen, ungefähr so lang wie dieses Taschenbuch breit ist, und zwei bis drei Finger stark. In Bayern ist es hellgrün und fälschungssicher gemustert und sieht dann etwa so aus, als hätte man es aus dem Papier gemacht, aus dem die Seiten in einem Reisepass sind. Wenn die Polizei einen Tatort verlässt, klebt ein Beamter einen dieser Streifen von der Tür zum Türrahmen. Das verhindert zwar nicht, dass man die Tür öffnet, denn der Streifen zerreißt sehr leicht, aber man weiß dann, dass sich jemand anderes an der Wohnung zu schaffen gemacht hat.
    Man könnte die Siegelreste nach Abschluss der polizeilichen Untersuchung natürlich auch an der Tür lassen. Aber das mag ich nicht. Sicher, es ist kein Blut, es ist nicht gefährlich, aber wir versuchen ja nach Möglichkeit, alle Spuren des Geschehenen zu entfernen. Und die Angehörigen, die Betroffenen erinnern sich beim Anblick eines Polizeisiegels genauso an das erschütternde Ereignis wie bei einem Einschussloch. Das Blöde an den Siegeln ist: Sie kleben wie der Teufel.
    Anfangs haben wir die Polizeisiegel entfernt, wie sie jeder andere auch entfernen würde: mit irgendeinem Werkzeug, mit dem man schaben kann. Aber das ist letztlich eine schlechte Lösung. Ich habe keine Ahnung, wer die Dinger entwickelt hat, vielleicht derselbe Mensch, der für die österreichischen Mautplaketten verantwortlich ist, die man sich im Auto innen an die Windschutzscheibe klebt. Die kriegt man ja auch nie in einem Stück wieder weg. Der Unterschied ist, dass Glas relativ unempfindlich ist, Türen und Türstöcke hingegen sind es nicht. Wir haben zunächst mit allen möglichen Schabern gearbeitet, zum Schluss mit denen, die man für Cerankochfelder verwendet, aber es hat alles nichts geholfen – wenn das Siegel ab war, waren auch große Teile des Türlacks ab, und wir waren genauso weit wie vorher: Die Betroffenen erinnern sich beim Anblick des Lackschadens wiederum daran, was zuvor dort geklebt hat. Wenn man das spurlos ausbessern will, müsste man die ganze Tür streichen.
    Erschwerend kommt hinzu, dass es sich nur dann um ein Siegel handelt, wenn die Untersuchung unkompliziert ist. Muss die Polizei öfter an den Tatort, öffnet die natürlich auch nicht siegelschonend die Tür, die macht halt – ratsch! – einfach auf. Und klebt anschließend ein neues Siegel drauf. An einem Tatort findet man schon mal drei, vier, fünf Siegel kunterbunt übereinander. Und wenn man die Dinger alle abschabt, sieht die Tür hinterher aus wie nach einem Autounfall. Inzwischen haben wir uns zu einem Lösungsmittel durchprobiert, mit dem sich die Siegel spurenlos entfernen lassen.
    Das ist ein wichtiger Teil der Faszination an meiner Arbeit: Ich will besser werden. Aus Leidenschaft und vielleicht auch, weil es eine Art Sucht ist. Wie Bergsteigen, wie Golf, wie Jonglieren – man beherrscht einen Schwierigkeitsgrad und will nun auch den nächsten knacken. Ich bin scharf auf die schwierigen Fälle. Und ich will die erste Adresse für solche schwierigen Fälle werden, damit ich noch schwierigere Fälle kriege. Am besten in ganz Deutschland. Ich bin tatsächlich auf einem relativ guten Weg dazu. Neulich hat mich jemand aus Köln angerufen.
    Dass sich meine Arbeit bis nach Köln herumgesprochen hat, hätte mich sogar bei einer ganz normalen lange liegenden Leiche gefreut, auch wenn ich den Auftrag vermutlich nicht angenommen hätte: Da sind ja die Fahrtkosten für den Kunden höher als unser Arbeitsaufwand. Aber dieser Fall – also, das war eine echte Herausforderung. In einem kleinen Altbauhäuschen in der Kölner Innenstadt stirbt im zweiten Stock ein Mann, als er gerade in die Badewanne steigt. Das Wasser läuft weiter, und zunächst passiert nichts, weil der Wasserhahn nicht mehr voll aufgedreht ist und das Wasser durch den Überlauf abfließt. Aber dann zersetzt sich die Leiche, der Überlauf
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