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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven
Autoren: Heyne
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Teppichbodens über mäßig verputztem Mauerwerk einwirken lässt, diese Rechnung allein genügt, um zu wissen, dass es da mehr braucht als » Erstmaßnahmen«.
    Außer natürlich, man will das ganze Haus sowieso abreißen.
    Trotzdem, die Geschwister blieben bei ihrer Sparbestellung. Ich stellte meine Warnungen ein und versprach, ihnen Bescheid zu geben, wenn mehr zu tun wäre. Wir rückten also zunächst zu zweit an, meine Frau Petra und ich. Als Erstes beschlossen wir, das Sofa rauszutragen. Eine alte Tagesdecke lag noch darauf, die ich zur Seite legen wollte, genau genommen mehr aus Gewohnheit, man lässt beim Raustragen auf dem Sofa nichts liegen, damit erstens das Sofa leichter wird und einem zweitens das Zeug beim Tragen nicht runter und zwischen die Füße fällt. In diesem Fall war es allerdings ein Fehler: Dieses Sofa war das erste Sofa, das durch Entfernen einer Tagesdecke schwerer wurde. Ich wollte die Decke nehmen, um sie zur Seite zu werfen, aber als ich den ersten Zipfel halbwegs in der Luft hatte, wäre ich beinahe selbst entsetzt zurückgesprungen – ich hatte nicht mit den Käfern gerechnet. Es waren etwa zwei, drei Dutzend von ihnen, und solche hatte ich noch nie an einem Leichenfundort gesehen. Nicht die üblichen kleinen Speckkäfer, sondern schwarze, drei bis vier Zentimeter lange Käfer; im Internet habe ich sie später als » Schwarze Totengräber « wiedererkannt. Das war sogar für mich richtig gruselig, weil komplett unerwartet.
    Sie waren wohl unter der Leiche hervorgekommen, und bei deren Entfernen hatten sie sich eben anderweitig versteckt – unter der Tagesdecke auf dem Sofa. Und unter dem Sofa selbst. Das Unerfreulichste war, dass ich mangels eigener Erfahrung auch Petra nicht auf das Käfergewimmel hatte vorbereiten können. Ich sah ihr in die Augen, und mir war sofort klar, dass keine Macht der Welt sie jetzt noch dazu bringen würde, das Sofa mit anzufassen. Also schleppte ich es allein, ich überwand mich, hob an einer Ecke an und zerrte das Ding vor die Tür. Wenn mich jemand beobachtet hat, muss ich ihm vorgekommen sein, als hätte mich jemand frisch aus diesem Western herausgeschnitten, in dem Django immer einen Sarg hinter sich herschleift.
    Petra kümmerte sich inzwischen um die Maden. Die Maden waren in der Küche. Dezimeterdicke Madenschichten, Kilos von Maden, alle inzwischen in der Küche, muss man sagen. Schließlich hatten sie dort ihre Laufbahn nicht begonnen. Die Maden hatten allesamt auf dem Hausbesitzer gesessen. Und wie die Beinprothese lassen die Bestatter auch die Maden zurück. Was also tun Maden, wenn man ihnen plötzlich das Futter wegnimmt? Sie gehen auf Wanderschaft, und das haufenweise. Wie sie das organisieren, ist mir schleierhaft. Ameisen gehen da ja systematisch vor: Sie schicken Späher aus, und diejenigen, die was finden, holen dann die anderen nach. Maden machen das nicht. Es gibt keine Madenstraßen, Maden wandern immer im Pulk. Und der gesamte Klumpen, den die Bestatter vom Vermieter abgestreift hatten, wand sich nun in der Küche auf dem Fußboden. Es gibt Schlimmeres: Auf dem gefliesten Boden kann man sie wenigstens nach der Insektizidbehandlung mit dem Bodenwischer zusammenschieben und mit der Kehrschaufel einsammeln – zumindest die in der Küche. Denn natürlich sondern sich in nicht ganz so penibel gereinigten Wohnungen einige kleinere Madenklumpen links und rechts ab, überall dort, wo sie andere essbare Teile finden oder wo ein bisschen Hausbesitzer zurückgeblieben ist, sagen wir auf dem handtellergroßen Hautfetzen in der Zimmermitte. Wohl auch deswegen habe ich mir schon öfter überlegt, ob die Bestatter nicht vielleicht beim Abtransport für die Maden ein Kotelett zurücklassen könnten, dann würden die wenigstens alle beieinander bleiben.
    Die Entsorgung des Wohnzimmers war da schon unangenehmer. Ich erzähle das manchmal, als ob das so einfach wäre: Man zerlegt halt alles in handliche Pakete und verpackt sie entsorgungsgerecht. Vielleicht wäre es mir ohne Petras Reaktion überhaupt nicht aufgefallen, dass das gar nicht so selbstverständlich ist. Am deutlichsten wurde das beim Teppichboden. Dieser alte Teppichboden war inzwischen vollgesogen mit Leichenflüssigkeit, und in einen knappen Quadratmeter Teppichboden passt mehr Flüssigkeit, als man glauben will: Zehn Liter sind da kein Problem. Obwohl ich ihn in Stücke von einer Größe zerschnitt, mit der wir arbeiten konnten, hatte der leichte Teppichboden plötzlich das Gewicht
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