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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven
Autoren: Heyne
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zum Türchen, und spätestens im fünften Stock begann ich zu rechnen: 20 Meter Höhe, 15 Meter Breite, zwei Aufzugschächte – das machte 600 Quadratmeter Glas. Und allein war ich einfach zu langsam. Also guckte ich zu Helga und sagte: » Das geht so nicht. Ich schaff das niemals allein. Entweder du machst mit, oder ich muss jemand anderen dazuholen.«
    Helga schluckte, und dann riss sie sich zusammen. Und da muss ich wirklich sagen: allergrößten Respekt. Seine Ängste überwinden, das sagt sich so leicht, aber das zu machen, gehört zum Schwersten, was es gibt. Und bei Helga gibt es da auch kein Geeier, das ist nicht so, dass sie drei Anläufe unternimmt und dann geht’s doch nicht. Wenn sie » ja« sagt, zieht sie’s durch. Und ab da haben wir die Glaswände wirklich super abgearbeitet. Ich fing rechts auf meiner Trittleiter an, wenn ich mit dem oberen Teil des Fensters fertig war, ging ich zurück, ließ Helga an mir vorbei aufs Fensterbrett zum unteren Teil und fing links von ihr wieder oben an. Seitlich versetzt haben wir dann Fenster nach Fenster gereinigt, dass es eine Freude war. In jedem Stockwerk von Neuem: Erst ich allein im Zimmer gesichert, um die Höhensicherungen einzusetzen, dann ich allein rechts außen, wieder zurück und ab da versetzt. Und die Scheiben sahen hinterher aus wie geleckt.
    Aber abends waren wir trotzdem fertig, körperlich absolut kaputt.
    Dauernd möchte ich so was nicht machen. Aber ab und an – ein geiler Job!

32 . Alles bleibt Anders
    Tja.
    Und jetzt? War’s das?
    Habe ich jetzt alles gesehen, was es zu sehen gibt? Alles gewischt, alles geputzt?
    Ich fürchte nein. Ich weiß, dass sich bestimmte Dinge wiederholen werden. Die Alltagsfälle, dass sich Leute selbst erschießen oder irgendwo runterspringen. Aber ich weiß auch, dass es immer wieder Fälle geben wird, bei denen man sich die Augen reibt. Dass immer wieder dann, wenn man sich ganz sicher ist, alles gesehen zu haben, wieder einer kommt, der sich eine besonders komplizierte Form der Selbsthinrichtung hat einfallen lassen, oder jemand, der jemand anderen so grausam umgebracht hat, dass man ihm schon allein dafür eine extra drüberziehen möchte.
    Das ist wirklich wahr, das zuckt einem so durch den Kopf. Da stellt man selbst auch die aberwitzigsten Vergleiche an: Wenn ich an den Messerstecher denke, der seine Ex-Geliebte bestialisch umgebracht und sich dann vor Haus gestellt hat, eine Zigarette im Mund, und zu den Nachbarn gesagt hat, sie könnten jetzt ruhig die Polizei holen, er habe alles Notwendige getan? Ich weiß noch, wie ich gekocht habe, als ich das gehört habe. Und trotzdem fiel mir dieser Mann in dem Moment ein, als wir nach dem gepfuschten Doppelmord von Notzing gereinigt haben – der Typ, der erst die Eltern seiner Ex-Freundin abschlachtet und dann mit ihr zusammen die Leichen derart lieblos und gleichgültig durch die Gegend schleift, als wäre ein Mord nichts anderes als Falschparken und die beiden Toten nur so was wie zwei Bündel Altpapier. Da hab’ ich mir allen Ernstes für einen Augenblick gedacht, dass – verglichen mit den beiden Pfuschern – sogar dieses grausame A… noch mehr Achtung vor der Tat und der Toten hatte.
    Und genauso sicher kann man sein, dass man eines Tages an irgendeinem blutüberschwemmten Einsatzort steht, sich dabei an die beiden gerade genannten Fälle erinnert und sagt: » Die waren immer noch besser als das, was ich jetzt grade sehe.«
    Als ob man da von » besser « oder » schlechter « reden könnte. Aber trotzdem denkt man’s sich.
    Und wer weiß, vielleicht schreibt man’s dann wieder in ein Buch.
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