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Kein Job fuer schwache Nerven

Kein Job fuer schwache Nerven

Titel: Kein Job fuer schwache Nerven
Autoren: Heyne
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eine Fassung mit der einzigen noch funktionierenden elektrischen Lampe der Wohnung. Der Raum war so niedrig, dass es über dem Waschbecken keinen Platz mehr gab für einen Spiegel. Aber was hätte man da auch schon sehen sollen außer jemandem in einer völlig verkrümmten Haltung? In einer Mauernische neben dem Waschbecken stand eine kaputte Waschmaschine, und dass sie kaputt war, konnte man noch für einen Segen halten – denn jedes Mal, sobald man versucht hätte, in dieser verkrümmt-gebeugten Haltung eine Maschinenladung mit nasser Wäsche rauszutragen, hätte man einen Bandscheibenvorfall riskiert. Die 54-Jährige hatte das Waschen konsequenterweise völlig aufgegeben. In den Müllsäcken waren Berge von Schmutzwäsche, sie war dazu übergegangen, statt zu waschen in größeren Abständen von ihrem wenigen Geld neue Kleidung zu kaufen.
    Irgendein Zyniker hatte es auch noch fertiggebracht, in den Winkel gegenüber der Toilette eine Duschkabine zu basteln. Stehen konnte in dieser Dusche allenfalls ein Erstklässler. Wenn man die ganze Konstruktion ansah, wurde man derart sauer, dass man sich gar nicht entscheiden konnte, wen man als Erstes eine Woche in diese Zumutung von einer Dusche einsperren wollte, den Vermieter, der sich das ausgedacht hatte, oder den Beamten, der dreist genug war, diese raumgewordene Körperverletzung für eine bewohnbare Unterkunft zu halten. Aber letzten Endes war das auch nicht weiter überraschend.
    Denn wer diese Wohnung betrachtete, dem musste klar sein, dass dieses Chaos aus Dreck und Kot nicht erst in den letzten 14 Tagen entstanden war. Was mich anging, was jeder geistig halbwegs gesunde Mensch auf den ersten Blick gesehen hätte: Die 54-Jährige war ein Fall fürs betreute Wohnen oder aber für einen 14-täglichen oder allermindestens monatlichen Besuch durch einen Betreuer. Und so, wie die Lage stattdessen aussah, gab es dafür nur zwei Erklärungen: Entweder war hier niemand vorbeigekommen – oder es war ihm völlig gleichgültig gewesen, was er hier sah.
    » Der Mieterin und uns ist an ihrer Selbständigkeit gelegen. … Können Sie nicht den Linoleumboden retten?«
    Diese Sätze kreisten mir ständig durch den Kopf, während ich noch die Holzverkleidung desinfizierte, die einen Teil der feuchten, schimmelfleckigen Wände bedeckte.
    Am Nachmittag kam die Dame vom Amt vorbei, um die Wohnung abzunehmen. Die Wohnung war jetzt ein sauberes, aber feuchtes Loch. Sie wirkte zufrieden.
    » Ich bin mir nicht sicher, ob Sie’s wissen«, sagte ich, » aber ich möchte Ihnen schon noch mal sagen: Wir haben in dieser Wohnung nichts gefunden, was auch nur ansatzweise nach einem selbstständigen Leben aussieht.«
    Sie nickte beiläufig und inspizierte weiter die Ecken.
    » Die Frau, die hier gewohnt hat«, sagte ich, » also, ich bin kein Experte, aber für mich ist die ein Fall für eine betreute Einrichtung. Das ist keine Frau, die mit einem Holzofen heizt. Es wundert mich ja sowieso, dass die mit dem Ding nicht das ganze Haus abgefackelt hat. Die können Sie unmöglich hier wieder allein wohnen lassen. Das sieht dann in einem halben Jahr wieder genauso aus. Und das ist noch der günstigste Fall.«
    Sie nickte und stellte fest, dass in der Wohnung alles zu ihrer Zufriedenheit gereinigt worden war. Und das war’s dann.
    Wir haben unsere Rechnung gestellt und bezahlt bekommen. Ein weiterer Auftrag aus Altötting ist seither nicht mehr erfolgt. Vielleicht hat man dort Angst, dass wir merken, welche Wohnungen die dort sonst noch so für ihre Schützlinge anmieten.

4 . Ungefunden
    In den allermeisten Fällen, in denen wir gerufen werden, ist unsere Arbeit deshalb nötig, weil jemand vereinsamt gestorben ist. Ist ja logisch: Stirbt ein Mensch im Freundeskreis oder während einer Skatrunde, kommt recht schnell der Bestatter – und fertig. Kennt der Tote aber kaum noch jemanden, der ihn besucht, spricht er niemanden mehr an, dann fällt sein Fehlen erst mal nicht auf. Und hat es aus der Wohnung der alten Frau Huber oder des alten Herrn Obermaier schon immer etwas seltsam herausgerochen, dauert es eben oft vier oder sechs Wochen, bis den anderen Hausbewohnern auffällt, dass der Geruch inzwischen eine ganz neuartige Qualität aufweist. Und dass das vielleicht mit den Maden am Türstock zusammenhängen könnte. Im Winter kann man wegen der langsameren Verwesung noch mal weitere zwei, drei Wochen dazurechnen, desgleichen, wenn der Tote allein in einem kleinen entlegenen Häuschen wohnt, wenn er
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