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Kein bisschen Liebe

Kein bisschen Liebe

Titel: Kein bisschen Liebe
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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Bett herum. Ich versuchte wieder einzuschlafen, aber ich konnte nicht. Julia schnarchte neben mir. Manchmal sagte sie etwas, das ich nicht verstand. Vielleicht träumte sie. Es war heiß und es gab Mücken und ich schwitzte. Ich stand auf. Ich sah aus dem Fenster. Man sieht nur einen kleinen Hinterhof mit drei Hundezwingern. Die Hauseigentümer bewohnen die oberen Stockwerke und vermieten in der Strandsaison das Erdgeschoss. Davon leben sie, und von der Aufzucht von Kampfhunden. Der Typ richtet sie zum Kämpfen ab. Er hat mich diese Woche zweimal eingeladen, aber ich will nicht noch mehr Gewalt und Aggressivität sehen. Mir reicht schon die, die mich umgibt. Und die, die wie ein Flammenwerfer aus meinem Innern hervorbricht. Vor allem nach einigen Schluck Rum.
    Draußen weht eine Brise. Ich ziehe eine kurze Hose an und gehe vorsichtig hinaus, um Julia und die Hunde nicht aufzuwecken. Von der Haustür aus sieht man nur das uralte, verfallene Holzhaus der Nachbarin, die hohen Mauern der Ferienhäuser und die 24-Stunden-Cafeteria. Die drei Angestellten lehnen an den Tischen und dösen vor sich hin. Es ist keine Kundschaft da. Ich spaziere bis an die Straße, biege rechts ab und gehe die paar Meter hinunter an den Strand. Die Nacht ist dunkel, viele Sterne und eine leichte Brise, aber das Meer regt sich kaum. Etwa hundert Meter weiter knutscht ein Paar. Oder sie vögeln. Die beiden Gestalten heben sich schattenhaft vor den wenigen Lichtern ab. Ich gehe im seichten Wasser am Ufer entlang. Wenigstens sind hier keine Mücken. Ich spüre das lauwarme Wasser. Mir wäre es lieber, wenn es kalt wäre. Es ist gerade die Fangzeit für Hammel-Schnapper. Ich habe seit Jahren keine gefischt. Ich sollte mir eine Angel und etwas Zubehör kaufen und fischen, mit lebenden Sardinen als Köder, wie früher.
    Der Spaziergang und die frische Luft machen mich endgültig wach. In der nächsten Straße werden einige Holzkisten von einem LKW abgeladen und in ein Haus getragen. Ich gehe nicht näher ran, verlangsame aber meinen Schritt, um besser hinsehen zu können. Das Haus steht etwa achtzig Meter vom Ufer weg und ist von Bäumen und einem hohen Zaun umgeben. Ich erinnere mich an die Kisten mit Maschinenpistolen, Raketen und Sprengstoff, die ich häufig verladen musste, als ich vor dreißig Jahren bei der Armee war. Der LKW ist geschlossen und hat keine Nummernschilder. Es sind sechs Typen, und sie arbeiten wortlos, aber zügig, wie ein eingespieltes Team. Als wären sie Soldaten in Zivilkleidung. Die Kisten haben Metallgriffe, und die Kanten sind mit Beschlägen geschützt. Ja. Das müssen Waffen sein. Es ist besser, wenn sie mich nicht sehen. Ich entferne mich noch weiter und setze mich auf einen Felsen, der am Ufer aufragt, die Füße im Wasser. Ich denke wieder ans Fischen. Heute Nacht würden auf hoher See die Schnapper anbeißen.
    Ich gehe ohne Eile am Ufer entlang und pfeife. The Ghost of Tom Joad. Ich würde jetzt gern diese Musik hören, mit Bruce Springsteens rauer Stimme. Ich pfeife leise. Diese Lieder haben sich mir in die Knochen gegraben, im Winter ‘98 in Madrid. Meine einzige Gesellschaft außer der Ungewissheit und der Unrast war damals diese Platte, dazu eine Flasche VAT 69 und – manchmal – Teresa. Aber Teresa erholte sich gerade von einer unglücklichen Liebe und mied mich naheliegenderweise. Sie sagte, ich sei wie ein Krake, und man tue gut daran, mich auf Distanz zu halten. Ich habe ihr weit mehr als zwanzig Liebesgedichte und ein erotisches Lied geschrieben. Doch auch damit konnte ich Teresas Herz nicht erweichen. Eine echte Madriderin lässt sich niemals von einem aus Havanna den Kopf verdrehen. Ein Hund frisst keinen Hund. Sie ließ mich mit meinen Erektionen allein und verschwand seelenruhig, mit einem spöttischen Lächeln, das mich an die aufreizenden Flittchen in Zentral-Havanna erinnerte. Sooft das passierte, suchte ich die leicht melancholische Gesellschaft des Whisky und des »Boss«. Es war der längste, traurigste und einsamste Winter der Welt. Und ich wusste nicht einmal, was mich hinterher erwartete. Oder ob ich noch etwas zu erwarten hatte. Seither begleitet mich in einsamen und traurigen Momenten der Geist von Tom Joad.
    Ich sprang auf und stürzte mich ins Wasser. Es ist schlecht, so viel nachzudenken. Ich schwamm, streckte die Muskeln und rieb mir unter Wasser die Haut. Jetzt kam es mir viel kälter und belebender vor. Ich stieg aus dem Wasser und ging langsam am Ufer entlang. Ich wollte nicht nach
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