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Kein bisschen Liebe

Kein bisschen Liebe

Titel: Kein bisschen Liebe
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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Hause zurück, zu der Hitze und den Mücken und zu Julia, die schnarchte, als wäre nichts, als wäre alles bestens. Scheiße! Jedes Mal, wenn ich sie so schlafen sah, bekam ich Lust, ihr ein paar Schläge ins Genick zu verpassen. Nein. Ich wollte nicht zurück. Aber ich schlug ganz langsam den Weg in Richtung nach Hause ein.
    Ein Auto kam angefahren. Es hielt am anderen Ende der Straße, wo der Asphalt aufhört und der Sand anfängt. Ein dünner, sehr hellhäutiger Typ stieg aus. Er sah aus wie ein Ausländer. Und eine große, schöne Mulattin in einem langen roten Kleid, das ihre Schultern und ihren vollkommenen Rücken sehen ließ. Sie liefen an mir vorbei, aber sie sahen mich nicht an. Dazu waren sie zu sehr aufeinander konzentriert. Sie küssten sich mit vollem Zungeneinsatz. Sie streichelten sich und wirkten ein wenig betrunken. Oder vielleicht ein wenig high, auf Koks. Die Mulattin war wunderschön. Ich sah mich um. Sie gingen ins Wasser, ohne die Kleidung abzulegen. Das rote Kleid trieb an der Oberfläche und sah aus wie eine seltsame, riesige Blume. »Der Typ müsste man sein«, dachte ich. Vielleicht wusste er nicht mal, wie man im Wasser vögelt. Na ja, die Mulattin würde es ihm schon beibringen. Da merkte ich, dass es allmählich hell wurde. Man konnte schon ziemlich viel sehen. Sie umarmten sich noch immer unter Wasser und küssten sich. Und das rote Kleid glänzte, während es dahintrieb, und die Mulattin fing an zu singen und zu tanzen. Sie waren glücklich. Einfach zu schön. Ich ging. Ich konnte nicht dort bleiben und diesen Moment mit meinem idiotischen Voyeurismus zerstören.
    Ich kam nach Hause und setzte mich in den Eingangsbereich, auf einen sehr unbequemen Metallstuhl. Es gab keinen anderen. Ich vertrieb mir die Zeit damit, das alte Holzhaus zu betrachten. Da stand es, mit Schlagseite nach links, ohne Farbe, weitgehend verrottet und aufs Geratewohl geflickt, umgeben von Unkraut und einem kaputten Zaun. Über der Tür sah man noch eine geschliffene Glasscheibe mit dem Baujahr: 1925. Die Moderne drückte dem Haus langsam die Luft ab: die gepflegten Ferienhäuser, die 24-Stunden-Cafeteria, die Kartentelefone. Mir schien, dass wenig fehlte, damit es endgültig einknickte, in Stücke brach und unterging. Drinnen überlebte mit Mühe und Not eine Alte, ebenso dreckig und verfallen wie das Haus selbst. Ich hielt es auf dem Stuhl nicht mehr aus. Er war die reinste Streckbank. Ich ging hoch in die Küche. Machte Kaffee. Warf einen Blick ins Zimmer. Julia schnarchte noch immer. Jetzt noch lauter als vorher. Ich trank den ganzen Kaffee und setzte mich wieder in den Eingang, auf den Boden, an eine Säule gelehnt.
    Auf einer Ameisenstraße den Bordstein entlang herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Ich folgte den Ameisen in beide Richtungen. An dem einen Ende verschwanden sie in einer Ritze im Zement. Am anderen Ende krochen sie in schwarze Beete, auf denen Rizinus und Betelpalmen standen. Ich verbrachte eine gute Weile damit, zuzusehen, wie die Ameisen stückchenweise Nahrungsmittel transportierten, immer in dieselbe Richtung: zu den Beeten hin. Dann kamen sie unbeladen und eilig wieder und verschwanden in der Ritze im Beton.
    Ich wurde der Sache überdrüssig und ging wieder an den Strand. Es war schon Tag. Ein Mann kam mit einem Eimer und einem Fangnetz aus Capronfasern an. Er sah aufmerksam aufs Wasser hinaus, das ganz sauber und durchsichtig war. Auf meiner Höhe blieb er stehen und warf rasch das Netz aus. Er wartete, bis das Blei gesunken war und die Falle zuschnappte. Dann holte er das Netz ein, voller Sardinen, die in der Sonne glitzerten. Er schüttelte es und sie fielen zuckend in den Sand. Ich half ihm, sie aufzusammeln. Es waren viele. Mehr als einhundert Sardinen in einem einzigen Fang.
    Ich ging zurück nach Hause. Vom Schlafmangel fühlte sich mein Kopf ganz schwer an. Ich ging in die Küche, um noch mal Kaffee zu kochen. Julia stand auf, schlurfte, noch im Halbschlaf, mit ihren Schlappen herein und sah mich.
    »Machst du schon Kaffee?«
    »Ja.«
    »Wie spät ist es?«
    »Keine Ahnung. Bin grad aufgestanden.«

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    Ich mag das Lesbenhäuschen. Es ist klein, zweistöckig, mit Wänden, die der Salpeter und der Wind bis auf den Ziegel herunter zerfressen haben. Es hat nur ein schmales Türchen, das direkt auf den Strand hinausgeht. Davor stehen ein paar Kokospalmen, und vierzig Meter weiter ist schon das Ufer. Auf der einen Seite die Überreste eines
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