Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein bisschen Liebe

Kein bisschen Liebe

Titel: Kein bisschen Liebe
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
Vom Netzwerk:
seiner Seite, haben sie sich wie Föten eingerollt und die Welt vergessen. Einen Augenblick lang ist mir, als könnte ich sie im Gefängnis sehen, wenn sie erwachsen sind. Der perfekte Bürger für ein dauerhaftes Knastleben: Ich bin niemand, ich habe nichts, ich komme von nirgendwoher, keiner wartet auf mich, ich bin das Nichts, nur ein wenig Gas, das sich verflüchtigt.
    Am Strand steigen die Leute aus dem Bus. Es ist ein Dorf aus etwa zwanzig Häuserblocks, parallel zum Meer gebaut. Die Selbstmörderin mit ihren Kindern bleibt bis zur Endhaltestelle gegenüber der Eisdiele sitzen. Ich steige ebenfalls dort aus. Ich hatte den Impuls, die drei zu einem Eis einzuladen. Aber ich nehme mich zusammen. Ich will mir nicht die ganze Litanei ihrer Probleme anhören. Ich will nur einige ruhige Stunden verbringen und alles vergessen. Taub, blind und stumm.
    Am Strand waren wenige Leute. Im Meer, hüfttief im Wasser, suchten zehn, zwölf Typen nach Goldschmuck. Die Badenden verlieren Ketten, Ringe, Armreife. Die Strömungen spülen sie über den Grund. Es gibt einen Strandabschnitt mit großen Felsen. Den suchten die Typen mit Tauchermasken und Schnorcheln ab. Ich beobachtete sie eine ganze Weile. Ich hatte mir eine Kokospalme mit breitem Schatten gesichert. Die Selbstmörderin und die Kinder hielten sich in der Nähe auf. In der prallen Sonne. Sie suchten keinen Schatten. Die Jungs spielten im Wasser. Sie entfernten sich gefährlich weit vom Ufer. Die Frau beachtete sie nicht. Sie war immer noch abwesend und warf alle paar Minuten einen Blick auf ihre Wunden.
    Ich wollte nicht noch mehr sehen. Ich nahm meinen Rucksack und ging weiter am Strand entlang, die Füße im Wasser. Es war sehr angenehm, und ich hatte kein Ziel und keine Termine. Ich wollte nur gehen und mic h entfernen.

Herz aus Stein
    Mit Julia und mir ging es dem Ende entgegen. Es gab jeden Tag Streit und Alkohol. Von beidem reichlich. Unsere Wohnung glich einem kleinen Irrenhaus, bewohnt von zwei Verrückten. Es war schrecklich, unerträglich, höllisch, und vor allem war es absurd.
    Wir hatten kurze Stunden der Versöhnung. Manchmal einen ganzen Tag. Wir vögelten ein bisschen. Ich nagelte sie bis auf den Grund, und sie schrie hemmungslos. Sie kam viele Male und forderte mich auf, sie hart zu schlagen. Ins Gesicht, auf die Arschbacken. Ich hatte einen aus Leder geflochtenen Gürtel und gab ihr sanfte Schläge. Sie sagte:
    »Schlag mich fester, du Tunte, du verdammter Wichser, schlag mich so, dass es mir wehtut, dass ich blute, und steck ihn mir hinten rein!«
    Sie drehte sich auf den Bauch und öffnete ihre Arschbacken.
    »Steck ihn mir hinten rein und schlag mich richtig, bis Blut spritzt!«
    Gelegentlich bin ich ein brillanter Sadist. Ich habe ganz spezielle Techniken. Manchmal hatte ich am Ende einen Orgasmus. Andere Male hielt ich ihn zurück. Ich wollte mich nicht verausgaben. Außerdem war es mir egal.
    Ich fühlte in mir eine abstoßende Mischung aus Gewalttätigkeit, Aggressivität, Lüsternheit, Sadismus, Verlangen nach Alkohol. Aber ich fühlte auch, dass mein Herz härter wurde. Jeden Tag, immer mehr. Das war, was ich haben wollte: ein Herz aus Stein. Wenn ich wieder mürbe wurde, würde ich keinen sauberen Schnitt machen können. Ich musste alles Verdorbene abschneiden. Desinfektionsmittel auftragen. Die Stellen vernarben lassen. Und weitermachen. Am besten mit einem Lächeln auf den Lippen. Ohne Bitterkeit wegen der Dinge, die abgestorben waren, die ich abgeschnitten und den Hunden zum Fraß vorgeworfen hatte.
    Die Lüsternheit und der Alkohol hatten vieles in mir ausgehöhlt und allzu tiefe Spuren hinterlassen. Meine besten Erinnerungen waren nackte Frauen im Bett. Und Sex. Viel Sex. Zügellosigkeit pur. Ich musste meine Energie auf etwas Dauerhafteres konzentrieren. Das war eine Frage von Leben und Tod.
    Ein anderes Problem von mir war, dass ich mittlerweile alles in Literatur verwandeln konnte: den größten Schmerz, das tote Fleisch, die schäbige, dunkle Seite des Lebens. Alles blieb auf der Strecke. Nichts war von Dauer. Alles verbrannte, als wäre rings um mich nichts als verdorrtes Laub.
    Mir ging durch den Sinn, dass die Lösung erst kommen würde, wenn sich mein Sexualtrieb mit dem Alter auflöste. Dann würde ich das blinde Begehren ausschalten und mich irgendwohin zurückziehen können, auf ein Feld, mit zwei oder drei Kühen. Sie bei Tagesanbruch melken und einen Gemüsegarten pflegen. Nur das. Dasselbe, was ich auf dem Hof meiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher