Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaylee

Kaylee

Titel: Kaylee
Autoren: R Vincent
Vom Netzwerk:
ich als letzter Mensch ans Bett gefesselt! Würde die Menschheit wirklich so enden? In Lederriemen und gepolsterten Handschellen?
    Reiß dich zusammen, Kaylee!
    Die eigentliche Erklärung war vermutlich viel weniger abwegig, aber mindestens genauso erschreckend: Ich war gefangen. Hilflos, schutzlos und ausgeliefert. Und plötzlich bekam ich kaum noch Luft. Mein Herz raste. Wenn ich nicht bald hier rauskam, würde ich wieder zu schreien anfangen – diesmal zwar nur aus gewöhnlicher Angst, aber mit demselben Ergebnis. Sie würden mir noch eine Spritze verpassen, und alles würde von vorne losgehen. Ich würde den Rest meines Lebens hier im Bett verbringen und mich vor den Schatten verstecken.
    Was, wenn es hier gar keine Fenster, sondern nur die Deckenbeleuchtung gab? Irgendwann würden die Schatten Jagd auf mich machen. Da war ich mir sicher.
    „Bitte!”, rief ich, froh zu hören, dass meine Stimme kräftiger wurde. „Lasst mich …”
    Als ich gerade anfangen wollte, an den Fesseln zu reißen, schwang die Tür auf.
    „Hallo, Kaylee. Wie fühlst du dich?”, fragte eine männliche Stimme.
    Ich verrenkte mir den Hals, um einen Blick auf den Mann zu erhaschen, zu dem die Stimme gehörte. Er war groß und dünn, wirkte aber kräftig. Schlechte Haut, tolle Haare. „Wie ein Frosch auf dem Seziertisch”, antwortete ich, als er meinen linken Arm losband.
    Er war mir auf Anhieb sympathisch.
    „Dein Glück, dass ich noch nie besonders gut mit dem Skalpell umgehen konnte.” Er hatte ein nettes Lächeln und sanfte, braune Augen. Auf dem Namensschild stand: Paul Conners, Psychiatrieassistent.
    Psychiatrie? Mein Magen krampfte sich zusammen. „Wo bin ich hier?”
    Paul öffnete die zweite Handfessel. „Du bist im Psychiatrischen Zentrum von Lakeside, einer Station des Arlington Memorial Hospitals.”
    Lakeside . Die Klapse. Scheiße!
    „Äh … nein. Das kann nicht sein. Hier muss ein Fehler vorliegen.” Mir stellten sich die Haare auf. „Ich muss mit meiner Tante sprechen, oder mit meinem Onkel. Er wird das klären.” Onkel Brendon war ziemlich gut darin, Dinge zu regeln, ohne jemanden zu verärgern – eine beneidenswerte Fähigkeit.
    Paul lächelte und half mir hoch. „Wenn du dich eingelebt hast, kannst du sie gerne anrufen.”
    Ich wollte mich aber nicht einleben.
    Mein Blick fiel auf meine Füße, die in Socken steckten. „Wo sind meine Schuhe?”
    „In deinem Zimmer. Wir mussten sie ausziehen, um die Schnürsenkel rauszunehmen. Zur allgemeinen Sicherheit sind Schnürsenkel, Gürtel, Kordeln und solche Dinge verboten.”
    Meine Schnürsenkel waren gefährlich? Gegen die Tränen kämpfend, beugte ich mich vor und befreite das rechte Bein.
    „Mach langsam. Du fühlst dich bestimmt noch ein bisschen steif und wackelig.” Paul übernahm das linke Bein. „Du warst eine ganze Weile weg.”
    Mein Herz krampfte sich zusammen. „Wie lange?”
    „So an die fünfzehn Stunden.”
    Wie bitte? Schockiert setzte ich mich auf. „Ihr habt mich fünfzehn Stunden lang an ein Bett gefesselt? Gibt es dagegen keine Gesetze?”
    „Doch, haufenweise. Aber wir halten sie alle ein. Soll ich dir beim Aufstehen helfen?”
    „Geht schon”, erwiderte ich unwirsch. Mir war klar, dass er nichts dafür konnte, ich war trotzdem wütend. Wegen einer Spritze und vier Fesseln hatte ich fünfzehn Stunden meines Lebens verpasst. Freundlich zu sein war jetzt einfach nicht mehr drin. „Warum war ich festgebunden?”
    Ich schwang die Füße aus dem Bett, blieb aber dagegen gelehnt stehen, weil mir schwindlig wurde. Der schmuddelige PVC-Boden unter meinen Strumpfsocken war unangenehm kalt.
    „Du bist auf einer Trage eingeliefert worden. Trotz des starken Beruhigungsmittels hast du geschrien und getobt. Irgendwann war deine Stimme zwar weg, aber selbst dann hast du noch wie wild um dich geschlagen, als ob du in deinen Träumen gegen irgendetwas kämpfst.”
    Von einer Sekunde auf die andere sackte mir alles Blut aus dem Kopf, und das Schwindelgefühl kehrte zurück. „Wirklich?” Kein Wunder, dass mir alles wehtat. Anscheinend hatte ich stundenlang gegen die Fesseln angekämpft. Im Schlaf … Sofern man ein medikamentös erzeugtes Koma überhaupt als Schlaf bezeichnen konnte.
    Paul nickte ernst. „Ja. Und vor ein paar Stunden ging es wieder los. Deshalb wurdest du wieder festgeschnallt, damit du nicht aus dem Bett fällst.”
    „Hab ich wieder geschrien?” Mir wurde ganz schlecht, und in meinem Kopf drehte sich alles. Was zum Teufel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher