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Kaylee

Kaylee

Titel: Kaylee
Autoren: R Vincent
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Grundausstattung Kosmetikartikel zu bitten.
    Nachdem ich mich abgetrocknet hatte, schlüpfte ich in die lila Krankenhausklamotten, die jemand aufs Bett gelegt hatte. Auf Unterwäsche musste ich verzichten, bis ich Anziehsachen von zu Hause bekam. Schwester Nancy zufolge sollte Tante Val mir die Sachen vorbeibringen, aber wenn sie hier auftauchte, würde ich sie ganz bestimmt nicht alleine gehen lassen.
    Frisch geduscht und angezogen – wenn auch nicht unbedingt zu meiner Zufriedenheit –, starrte ich geschlagene drei Minuten auf die Tür, ehe ich mich traute rauszugehen. Ich hatte weder zu Abend gegessen noch gefrühstückt und Riesenhunger, aber auf Gesellschaft war ich nicht sonderlich scharf. Nach zwei missglückten Anläufen strich ich mir endlich ein letztes Mal über das feuchte Haar und öffnete die Tür.
    Draußen im Gang folgte ich einfach dem Geräusch klappernden Bestecks. Meine Turnschuhe quietschten bei jedem Schritt, und mir fiel auf, dass zwar zwei leise Stimmen, aber keine richtiges Gespräch zu hören war. Die meisten Türen, an denen ich vorbeikam, standen offen, sodass ich einen Blick in die identisch aussehenden Zimmer werfen konnte. Der einzige Unterschied zu meinem Zimmer bestand darin, dass die anderen ein paar persönliche Gegenstände enthielten. Kleidung in den Regalen und Bilder an den Wänden zum Beispiel.
    Ungefähr auf halbem Weg sah ich ein Mädchen in ihrem Zimmer sitzen und Selbstgespräche führen. Und sie flüsterte nicht etwa leise vor sich hin oder machte sich auf etwas Wichtiges aufmerksam. Nein, sie redete mit sich selbst, und zwar in voller Lautstärke.
    Die zweite Stimme kam aus der Cafeteria – oder dem, was sie hier darunter verstanden. Eigentlich war es nichts weiter als ein großer Raum mit fünf Tischen, an denen lauter ganz normal aussehende Leute in Jeans und T-Shirt saßen. Auf dem kleinen Fernseher an der Wand lief Sponge Bob .
    „Die Tabletts sind auf dem Rollwagen.”
    Erschrocken drehte ich mich um. Neben der Tür saß eine Frau im roten Krankenhauskittel auf einem ziemlich unbequem aussehenden Stuhl. Judy Sullivan, Psychiatriemitarbeiterin, stand auf ihrem Namensschild. „Nimm einfach das mit deinem Namen und such dir einen Platz”, sagte sie zu mir.
    Ich schnappte mir das Tablett mit der Aufschrift “Kaylee Cavanaugh” vom mittleren Fach und blickte mich nach einem Sitzplatz um. Alle Tische waren besetzt, doch da alle nur schweigend vor sich hin kauten, war es bis auf das Klappern von Besteck auf Plastik mucksmäuschenstill.
    Entlang der Wände standen noch mehr der unbequem aussehenden Wartezimmerstühle, dazwischen ein paar kleine Sofas mit hellgrünen Kissen. Auf einem davon saß ein Mädchen, ein Tablett auf dem Schoß, und stocherte mit der Gabel in einem Stück Hackbraten herum, wobei sie sich mehr für die Muster zu interessieren schien, die sie hineinritzte, als für das Fleisch.
    Ich suchte mir einen Platz an einem der Tische und würgte schweigend die Hälfte des viel zu trockenen Hackbratens und ein matschiges Brötchen hinunter, ehe ich von meinem Tablett aufblickte – direkt in die Augen des Mädchens, das alleine auf dem Sofa saß. Sie betrachtete mich mit einer unangenehm gleichgültigen Neugier, so als wäre ich nichts weiter als ein Käfer, der vor ihr über den Bürgersteig krabbelte. Ich überlegte flüchtig, ob sie der Typ Mensch war, der Käfer zertrat. Weswegen sie wohl hier war?
    Schnell verdrängte ich den Gedanken – ich wollte es lieber gar nicht wissen. Weder von ihr noch von einem der anderen Patienten. Soweit es mich betraf, waren alle aus demselben Grund hier eingesperrt: weil sie verrückt waren.
    Ach, und du bist die große Ausnahme, ja? , höhnte eine verräterische Stimme in mir. Das Mädchen, das schreit wie am Spieß und Dinge sieht, die es nicht gibt. Das sich mitten im Einkaufszentrum den eigenen Hals zerkratzt. Ja, genau, du bist ganz normal.
    Mir verging schlagartig der Appetit. Aber das Mädchen mit dem Hackbraten – auf ihrem Tablett stand “Lydia Trainer” – starrte mich weiterhin an. Nur eines ihrer hellgrünen Augen war zu sehen, das andere verbarg sich hinter den dünnen, schwarzen Haarsträhnen, die ihr übers Gesicht fielen. Es störte sie nicht im Geringsten, dass ich zurückstarrte, aber Hallo sagen wollte sie anscheinend auch nicht. Sie sah mich nur unverwandt an, als rechne sie damit, dass ich aufspringen und den Cha-Cha-Cha tanzen würde, sobald sie wegschaute.
    Erst als eine der anderen
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