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Kaylee

Kaylee

Titel: Kaylee
Autoren: R Vincent
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später Zeit hat, würdest du doch bestimmt gerne saubere Sachen anziehen, oder?”
    „Ich denke schon.” In Wahrheit würde ich mich erst besser fühlen, wenn Lakeside nur noch eine flüchtige Erinnerung war und kein ständig anhaltender Wachtraum.
    „Wir dürfen dir nur Kleidung und Bücher vorbeibringen. Möchtest du etwas Bestimmtes lesen?”
    Es gab nur eine Sache, die ich lesen wollte, nämlich die Aufschrift „Ausgang” auf der Tür hinter dem Schwesternzimmer. Auf der Tür, die nur elektronisch per Knopfdruck geöffnet werden konnte.
    „Äh … Ich muss nächste Woche eine Hausarbeit abgeben. Könntest du mir Schöne neue Welt vom Nachttisch mitbringen?” Siehst du? Ich bin nicht verrückt. Ich denke sogar an meine schulischen Pflichten. Willst du mich nicht nach Hause holen, damit ich mein Potenzial entfalten kann?
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen, und das ungute Gefühl in meiner Magengegend nahm zu. „Im Moment solltest du dir um deine Hausaufgaben keine Sorgen machen, Kaylee. Ich werde in der Schule anrufen und sagen, dass du die Grippe hast.”
    Schritte näherten sich, und jemand ging an mir vorbei Richtung Gruppenraum. Ich hielt mir das Ohr mit dem Finger zu. „Die Grippe? Dauert es nicht fast eine Woche, bis man sich davon erholt hat?” So lange würde ich doch nie im Leben fehlen. Ich musste nicht mal einen einzigen Tag verpassen, wenn sie mich heute abholte!
    Als ich Tante Val seufzen hörte, verließ mich jegliche Hoffnung. „Ich will nur sichergehen, dass du genug Zeit hast, dich auszuruhen. Und es ist ja nicht einmal gelogen. Erzähl mir nicht, dass du dich wirklich gut fühlst.”
    „Weil sie mir genug von dem Scheiß gespritzt haben, um einen Elefanten ruhig zu stellen!” Der Geschmack in meinem Mund war Beweis.
    „Und soweit ich das beurteilen kann, bist du tatsächlich ein bisschen erkältet. Neulich habe ich dich niesen gehört”, fügte sie hinzu.
    „Man sperrt niemanden weg, nur weil er die Grippe hat, Tante Val.” Es sei denn, es ist die Vogelgrippe oder diese Todesgrippe aus einem von Stephen Kings Büchern.
    „Ich weiß. Hör mal, ich bin gleich da, dann können wir darüber reden.”
    „Was ist mit Onkel Brendon?”
    Wieder Schweigen. Manchmal war Tante Vals Schweigen vielsagender als ihre Worte. „Er ist mit Sophie Mittagessen gegangen, um ihr alles zu erklären. Es ist nicht leicht für die beiden, Kaylee.”
    Ach, und für mich schon?
    „Aber heute Abend kommen wir dich beide besuchen.”
    Schön und gut, aber bis dahin würde ich hier raus sein, und wenn ich sie dafür auf Knien anbetteln musste! Wenn ich noch einmal hier aufwachte, würde ich den Verstand verlieren. Sofern das nicht sowieso schon der Fall war.
    „Versprochen?” Seit ich neun war, hatte ich ihr kein Versprechen mehr abgerungen.
    „Natürlich. Wir wollen dir doch nur helfen, Kaylee.”
    Ein besonders großer Trost war das nicht gerade.
    Ich setzte mich in den Gemeinschaftsbereich, um auf die beiden zu warten, hielt mich jedoch hartnäckig von den Puzzlespielen und den Heften mit den Kreuzworträtseln fern, die in den Regalen auslagen. Ich würde sowieso nicht lange genug hier sein, um eines davon zu Ende zu bringen. Also starrte ich auf den Fernseher und wünschte mir im Stillen, sie würden wenigstens coole Zeichentrickfilme zeigen. Aber selbst wenn es eine Fernbedienung gab, so wusste ich nicht, wo.
    Ich hatte mir zwar vorgenommen, die anderen Patienten geflissentlich zu ignorieren, aber als Werbung eingeblendet wurde, blickte ich mich doch genauer um. Mir gegenüber, auf der anderen Seite des Zimmers, saß Lydia. Sie tat nicht einmal so, als interessiere sie sich für das Fernsehprogramm. Stattdessen starrte sie mich an.
    Ich starrte zurück. Sie lächelte nicht, sie sprach nicht. Sie schaute mich einfach nur an, und das nicht etwa mit dem leeren Blick, den so viele der anderen Insassen aufwiesen. Lydia schien mich tatsächlich zu beobachten, als suche sie nach etwas. Mir war jedoch schleierhaft, um was es sich dabei handeln könnte.
    „Irgendwie unheimlich, oder?” Mandy, das Mädchen mit der Gabel, ließ sich neben mir auf einen Stuhl fallen. „Wie sie dich anstarrt.” Sie musterte Lydia quer durch den Raum.
    „Auch nicht unheimlicher als alles andere hier.” Eigentlich hatte ich keine große Lust auf eine Unterhaltung – oder eine Freundschaft – mit jemandem, der sich Gabeln in die Hose stopfte.
    „Sie untersteht der Vormundschaft des Gerichts.” Mandy nahm
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